Auf dem Weg zur 2. Heimat, Tag 2

Donnerstag, 18. Mai 2023, Baro 1025, viele Wolken, Wind um 20 Knoten, die See „trés agitée, also ruppig“ , Wellenhöhe ca 2 – 3 m, Frequenz unter sechs Sekunden.

Sonnenaufgang am 2. Tag auf See

Um 11:30 Uhr gibt es ein ausgiebiges Frühstück, bei den ununterbrochenen Bewegungen muss Energie nachgefüttert werden. Volker refft die Genua um ein paar Umdrehungen aus, der Wind hat ein ganz kleines bisschen nachgelassen, fängt sich aber bald wieder und bläst mit unverminderter Geschwindigkeit von 20 – 24 Knoten. Wir sind schnell, fahren einen Schnitt von 9,7 Knoten, oft über 10, manchmal sogar 11 Knoten. Seit der Wind kurzfristig etwas abgenommen hatte, wurde die Wellenperiode besser, statt sechs Sekunden kommen sie jetzt im sieben-Sekunden-Takt.

Es gibt nicht viel zu tun, wir holen ein bisschen von dem fehlenden Schlaf der letzten Nacht nach, lesen, rätseln und rechnen immer wieder, wann wir denn wohl in Calero ankommen werden. Bei den im Presto-Takt heran rauschenden Wellen und der Wellenhöhe ist für mich immer noch jedes Herumlaufen eine Sisyphos-Arbeit, mit meinem nur eingeschränkt vorhandenem Gleichgewichtssinn. Wahrscheinlich komme ich mit Armmuskeln wie ein Preisboxer in Lanzarote an, weil ich mich immer wieder beim Gehen gegen die Schwerkraft abstützen muss, oder mich beim Treppensteigen nach oben ziehe. Und der drehbare Bürostuhl am Kartentisch fordert die Bauchmuskeln heraus. Volker bewegt sich ja souverän übers Boot. Deshalb hat er auch am Abend die Lasagne vorbereitet, ich musste nur noch die Nudeln, die Bolognese- und Bechamelsauce schichten, und ab ging es in den Ofen. Die Gemeinschaftsarbeit schmeckte vorzüglich.

Der Wetterbericht von PredictWind Offshore sagt bis morgen Vormittag Wind aus Nord bis NNO voraus, wie gewohnt zwischen 18 Knoten, in Böen bis zu 25 Knoten. Die Wellen bleiben bei 2 – 3 Metern, nur die Periode soll noch ein bisschen länger werden, auf sieben bis acht Sekunden. Ab dem Zeitpunkt, da Madeira querab sein wird, soll auch der Wind nachlassen. Volker träumt schon davon, dass wir dann mit Gennaker bei der gleichen Geschwindigkeit bleiben können.. Träumen darf man ja. 

***

In der Nacht zum Freitag hat Volker immer mal wieder das Vorsegel ein- oder ausgerefft, mal hat es aufgefrischt, mal war der Wind wieder weniger geworden. 

Morgens sammelt Volker die fliegenden Fische ein, die sich leider auf unser Boot verirrt haben, er sagt dann immer: „In Frankreich isst man die, warum probierst Du es nicht?“ Aber irgendwie gehen die nicht so an mich, die sind so klein, und ich weiß gar nicht, was ich mit ihnen anstellen soll. Im Ganzen braten oder grillen, und dann abnagen? Beim Filetieren bliebe ja nix davon übrig. Oder einfach als Fischsuppe kochen?

Um 07:00 sehe ich einen Fischer auf dem AIS, bisher waren, außer einem Frachter in 20 Meilen Entfernung, keine weiteren Schiffe zu sehen. Um 08:00 kommt doch tatsächlich ein weiterer Frachter unter libanesischer Flagge von rechts auf dem Weg nach Jeddah, Saudi Arabien, der geht aber hinter uns vorbei. Ein bisschen überfüllt hier! ;-)).

Tagesetmal um 09:30 sind 225 Seemeilen, das gefällt meinem geschwindigkeitsliebenden Skipper.

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Auf dem Weg zur 2. Heimat, Tag 1: Rein in die Puschen, raus aus den Puschen

Mittwoch, 17. Mai 2023
Vila do Porto, Santa Maria , 09:30, 760 Seemeilen direkter Weg bis Lanzarote
Baro 1025, bedeckt, Wind im Schatten der Insel 6 kn, die See glatt, später Wind bis 24 Knoten, die See 2 m

Geklebtes Gurtband zur Verstärkung des eingerissenen Großsegels

Wir lösen die Festmacherleinen und  legen ab, setzen Segel, bergen Segel, weil wir eine kleine Reparatur gestern bei den großen Bootsunterhaltsarbeiten vergessen haben. Volker kümmert sich schnell drum, nach zehn Minuten ist alles wieder gut. Das Großsegel kommt wieder hoch, die Genua wird ausgerollt, nur der Wind stellt sich noch dran. Und mein Skipper! Was der immer schimpfen kann: „Guck Dir das an!  Der Wind kommt von hinten! Du hast gesagt, wir haben 130° Windeinfallswinkel!“ „Gleich motoren wir!“, und so weiter. Ich bin ja dafür zuständig, Wetterberichte einzuholen, und dem Skipper zu berichten, aber wenn die Vorhersagen gerade mal nicht eintreffen, dafür bin ich dann wirklich nicht zuständig, auch wenn Volker das gerne so darstellt, als sei es pure Bosheit von meiner Seite. 

Glücklicherweise ändert sich die Situation um 10:30, als wir wirklich aus dem Schatten der Insel heraus sind, der Windeinfallswinkel passt, die Windgeschwindigkeit passt. Um 11:00 kommt Reff 1 in die Genua, wenig später wird das Großsegel verkleinert, es sind bis zu 20 Knoten Wind. 11:30 ist die Genua wieder ausgerefft, Volker denkt schon an den Gennaker. Der muss nämlich auch noch getrocknet werden, von dem letzten Einsatz bei der Fahrt aus der Karibik ist er immer noch nass.

 Nach einer erholsamen Stunde Schlaf für den Skipper geht es gleich wieder los, wir reffen alles aus. Inzwischen war der Wind doch wieder bis 13 Knoten angestiegen, jetzt stehen Groß und Genua in voller Schönheit, und die Geschwindigkeitsanzeige hat die Acht vor dem Komma.

Um 14:30 setzen wir den Gennaker, der macht beim Ausrollen Zicken, d.h. eigentlich nicht der Gennaker, sondern die Furlerleine auf der Rollanlage, der Skipper schickt seine schönsten Flüche übers Meer. Nach einer halben Stunde hat der Wind auf mehr als 17 Knoten aufgefrischt, der Gennaker kommt wieder weg.

Um 16:00 Uhr wird Reff eins ins Großsegel gebunden und die Genua um eine Umdrehung verkleinert. Der Wind bleibt bei 17-20 Knoten mit einem Windwinkel von 120-130 Grad, und die Hexe ist 9-10 Knoten schnell. Um 17:30 kommen noch zwei Umdrehungen in die Genua, wir haben inzwischen 19-20 Knoten Wind, das blöde dabei sind nur die Wellen, die in sehr kurzen Abständen kommen, und jede Bewegung zu einer Herausforderung an die Muskulatur und den Gleichgewichtssinn werden lassen. Kurz nach dem Abendessen um 20:30 wird die Genua bis Reff 2 eingerollt.

Apropos Abendessen: Heute Abend gab es von Volker frisch gemachte Frikadellen aus dem Hackfleisch, das ich gestern bei Pingo Doce gekauft hatte. Mit ebenfalls selbst gemachtem Kartoffelbrei und Rote-Beete-Salat. Und die Hackfleischsoße für die Lasagne Morgen Abend ist auch schon fertig.

21:45, die Windanzeige steigt im scheinbaren Wind auf über 20 Knoten, Zeit, das Großsegel ins zweite Reff zu verkleinern. Nun läuft das Boot etwas ruhiger, die Bewegungen sind nicht ganz so ruppig, so können wir gut in die Nacht fahren. Vorher hatte es auf einmal einen solchen Schlag getan, so laut, das ganze Boot erzitterte. Selbst nach dem Reffen gibt es Wellen, die komplett übergekommen ist. Gut, dass Volker die Polster im Cockpit entfernt hat.

Das Halbtagesetmal um 21:30 zeigte stolze 103 sm an, trotz zweifachen Segelsetzens und dem leichten Wind der ersten Stunden.

Die Nacht ist unruhig, zwischendurch frischt der Wind auch gerne mal über 30 Knoten scheinbaren Winds auf, dann piept unser Windalarm. Beim ersten Gepiepse haben wir das Vorsegel noch ein Stück verkleinert, auf die berühmte Handtuchgröße. Das Boot ist so in Ordnung. Aber die Wellen sind der Hammer! Alle 6,5 Sekunden kommt eine neue, das macht schon den Weg zur Toilette oder zum Kühlschrank zu einem Abenteuer, und beim Kochen muss man unbedingt am Herd stehen bleiben, um auf Töpfe und Pfannen aufzupassen.

Viel geschlafen haben wir nicht in dieser Nacht. Zu laut klingt es im Boot, wenn die Wellen von der Seite anrollen und zwischen den Rümpfen explodieren, da wackelt alles und es klingt wie Donnerschläge. Ruhig zu liegen ist ebenfalls eine schwierige Aufgabe, es ist eher ein Hin-und-her-Rollen.

Da unser Hydrogenerator leider den Geist aufgegeben hat, werden die Batterien in der Nacht nicht geladen, heute Morgen hatten der Autopilot und die Instrumente 82 Ampèrestunden verbraucht,so musste eben mal kurz der Motor mit laden. Wenn es am Tag so bewölkt ist, kommt nicht genug Licht auf die Solarpaneele. Außerdem fahren wir Richtung Süden, da bekommen die fest installierten auf den Davits nicht so viel Sonne ab.

Um 09:30 Uhr lese ich das Etmal für die letzten 24 Stunden ab: 220 Seemeilen, eine reife Leistung für Boot und Mannschaft!

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Santa Maria, die Perle der Azoren

Nach einer wunderschönen Überfahrt mit 60 Meilen von Ponta Delgada nach Santa Maria, haben wir am Samstag Nachmittag im Hafen von Vila do Porto festgemacht, Lloyd, der freundliche Hafenmeister, erwartete uns schon am Steg, nachdem er kurz zuvor unseren „Königsplatz“ frei gemacht hatte. Vila do Porto ist ein paradiesischer kleiner Hafen, mehr als gut geschützt gegen Winde aus allen Richtungen, und durch die kurvige Einfahrt absolut schwellfrei. Nur Bagger, Laster und der Kran, die damit beschäftigt sind, den Deich noch weiter zu befestigen, störten am Tag die himmlische Ruhe ein bisschen. Aber das ist ja nur vorübergehend.

Abgesehen von dem herzlichen Empfang durch den Hafenmeister wurden wir auch von den Besatzungen der anderen Boote begrüßt, Belgier, Deutsche und Franzosen liegen am Steg, gleich kamen wir mit einigen ins Gespräch. Volker hilft den Nachbarn von der Balu, den Gennaker einzupacken, und bekommt dafür eine Einladung zum Drink für den folgenden Abend. 

Blick auf die Marina

Ich gehe zum Hafenmeister für die Anmeldung, und zur GNR, der Guardia Nacional, zum Einklarieren, und werde auch hier super freundlich empfangen. Freund Bernd hatte Lloyd, den Hafenmeister, vorab informiert, dass wir gerne kommen würden, der hatte sofort im Internet recherchiert nach der Hexe, und war voll informiert, wusste unsere Maße, und bestätigte vorab, dass wir kommen können.

Es fühlt sich erstmal ganz komisch an, am Steg zu liegen, nicht ins Beiboot zu steigen, wenn wir an Land wollen, einfach mal so an Land auf und ab gehen zu können, den Müll wegzubringen etc. Auch der Weg zum und vom Restaurant am Abend ist natürlich einfacher, obwohl uns das Fahren mit dem Dinghy schon so zur Gewohnheit geworden war.

Christiane und Dieter von der Balu

Lloyd hatte mir eine Autovermietung genannt, Sunbeach rent a car, sehr zu empfehlen, professionell und mit Service, wir bekamen das Auto zur Marina geliefert und es wurde dort auch wieder abgeholt. Dort haben wir am Montag dann auch einen kleinen Mitsubishi geliehen, und mit den neuen Freunden, Christiane und Dieter von der Balu, eine Rundfahrt um die ganze Insel gemacht.

Glückliche Kühe auf grünen Weiden

Santa Maria ist eine kleine Insel. In nur einem Tag konnten wir sie umrunden und ein paar wunderschöne Ecken kennen lernen. Auf 97 Quadratkilometern leben ca. 5.500 wunderbar freundliche Menschen, und wahrscheinlich doppelt so viele Kühe und Schafe. Das Portugiesisch, das hier gesprochen wird, ist allerdings gewöhnungsbedürftig, die Vokale am Ende der Wörter werden eingespart, und alles miteinander verbunden, sodass ein Lied entsteht, kein Satz. Das ist wohl ähnlich, als würde man mit rudimentären Deutschkenntnissen plötzlich in Oberbayern landen oder auf den ostfriesischen Inseln. Glücklicherweise kann man es, mit Spanisch-Kenntnissen, ganz gut lesen.

Santa Maria ist als einzige der Azoreninseln keine Vulkaninsel, sondern aus Sedimentgestein entstanden. Deshalb blieb sie auch von Erdbeben verschont, die rundherum oft auftreten können. Sie hebt sich ständig an, und wird dabei immer größer.

Wir sind zunächst von Vila do Porto aus zum südöstlichsten Ende der Insel gefahren, wo ein wunderschöner Leuchtturm steht. Fast glaubt man sich im Regenwald, so grün und üppig ist die Vegetation. Allerdings hängen auch dicke Wolken über den Wäldern, hier, im Südosten der Insel, werden die vom Nordost-Passat heran getragenen Wolken abgefangen und sie regnen sich ab. Es gibt zahlreiche „Miradores“, Aussichtspunkte, von denen man atemberaubende Blicke an die wilde Küste und die sanft hügelige Landschaft werfen kann.

Wir begannen unsere Besichtigungstour, abgesehen von den Stopps an den zahlreichen Miradores, mit einem Besuch des wunderschönen Leuchtturms an der Ponta do Castelo. Auf dem letzten Stück ist die Straße so eng, dass es keinen Gegenverkehr geben kann, man wartet geduldig, bis die Straße wieder frei ist. Glücklicherweise gibt es insgesamt nicht viel Autoverkehr auf der Insel.

Eine Steintreppe mit vielen Stufen führte uns nach oben, und von dort aus konnten wir einen großartigen Blick übers Meer und auf die stillgelegte Walfabrik werfen. Dorthin hätten wir auch – über noch mehr Treppenstufen – hinunter steigen können, aber bei dem Gedanken an den anschließenden Aufstieg haben wir uns das geschenkt. 

Auffällig sind die an der Ostküste besonders zahlreichen terrassierten Weinberge. Wie am Rhein oder an der Mosel sind kleine Terrassen in die Hänge geschlagen, auf denen die Weinstöcke wachsen. Es gibt leckeren Wein von der Insel, allerdings auch im gehobenen Preisniveau.

Weinberge

Außerdem ist es – sehr angenehm – auffällig, wie sauber und gepflegt die ganze Insel ist. Es liegt kein Müll herum, Straßen und Gehwege sind geputzt (außer wenn gerade eine Kuhherde durch läuft, s.u.), und an den Straßenrändern sind vielfach Blumenstöcke gepflanzt, die offensichtlich auch gepflegt werden. Überhaupt, die Blumen! Tatsächlich sind alle Straßen gesäumt in den prächtigsten Farben, weiße Hortensien, blaue Schmucklilien und allerlei andere Blüten in leuchtenden Farben sieht man im Vorbeifahren.

Phantasievoller Mülleimer

Weiter ging es zu der Bucht von Maia mit ihren wunderschönen Stränden, eigentlich hatte wir gedacht, dort am Wasser sitzend einen Kaffee trinken zu können, aber es waren alle Restaurants und Cafés geschlossen, die Saison hat noch nicht begonnen.

Wir fahren die ebenfalls nicht sehr breite Straße zurück, um uns Santo Espirito anzuschauen, dort steht eine schöne Kirche mit einem Friedhof direkt daneben. Die Särge oder Urnen liegen unter Marmorplatten und aufgestellte Steine geben Namen und Daten des Verstorbenen an. 

In Santa Barbara finden wir eine kleine Café-Bar, in der die Männer ein Azorenbier „Especial“ trinken und die Mädels eher Koffein zu sich nehmen, in Form von Cola oder Galão, Latte Macchiato auf portugiesisch. Wir wollen gerade wieder aufbrechen, da kommt eine Herde Kühe mit Kälbchen durch die Straße getrabt, angetrieben von dem Hirten, der sie offensichtlich auf eine andere Weide bringen will. Wir müssen beim anschließenden Überqueren der Straße aufpassen, nicht in Kuhfladen zu treten.

Weiter geht es zur „Roten Wüste“, dem Barreiro da Faneca. Hier, das ist jetzt im Nordwesten der Insel, regnet es so wenig, dass der rote Lehmboden völlig ausgetrocknet ist, und man sich in der Wüste wähnt.

Noch ein kleiner Ausflug nach Anjos, zu der kleinen Kapelle Nossa Senhora dos Anjos, erbaut im 15. Jahrhundert, wahrscheinlich die älteste Kirche auf den Azoren. 168 Stufen führen hinauf zu der Mutter Gottes, einem schönen, innen ganz in weiß gehaltenen Kapellchen.

Weiter unten im Ort gibt es einen kleinen Hafen mit Naturschwimmbecken. Auch das schauen wir uns an.

Noch kein Sonnenuntergang

Ein letzter Stopp bei dem Restaurant BluesBar, von dem aus die schönsten Sonnenuntergänge zu beobachten sein sollen, leider hat es heute geschlossen. Wir ruhen uns nur ein bisschen auf dem Mäuerchen aus, und fahren dann zurück nach Vila do Porto. 

Dort gibt es einen deutschen Bierbrauer, der mit einem cleveren System arbeitet, um das Bier ins Glas zu bringen, das nennt sich “Bottom Up”. Der Trick dabei ist, dass durch eine Öffnung unten im Glas das Bier hinein gedrückt wird, die Anlage schaltet aus, sowie die entsprechende Füllhöhe erreicht ist. Durch das Gewicht der Flüssigkeit wird die kleine runde Scheibe auf die Öffnung gepresst, schon kann serviert werden. Wenn die freundliche Bedienung einem neuen Gast das erste Glas bringt, warnt sie eindringlich, ja nicht den Finger unten in die Öffnung zu stecken. Volker will das natürlich gleich trotzdem probieren, aber das lässt die Kellnerin nicht zu. Sie holt ein leeres Glas, und Volker sieht es ein. Das wäre ja Biermissbrauch!

Natürlich gibt es in dem Restaurant “A Travessa” auch deutsche Spezialitäten zum Essen, Brezeln eine Brotzeit, allerdings mit hiesigem Schinken und Salami, Spätzle und vieles mehr, nicht nur deutsches Essen. Müde und mit vollem Bauch trinken wir vier noch einen Absacker auf unserer Hexe. So ein schöner Tag!

Heute früh haben wir die Leinen los gemacht und sind jetzt auf dem Weg nach Lanzarote, 760 Seemeilen liegen vor uns. Den Bericht des ersten Tages auf See gibt es morgen.

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Ponta Delgada

Gestern haben wir, zum ersten Mal seit über drei Monaten, im Hafen fest gemacht. Wir waren das gar nicht mehr gewöhnt, Fender zu hängen, Leinen raus zu holen, in die Marina zu fahren. Nach 92 Seemeilen von Terceira aus haben wir um elf Uhr in der Marina Ponta Delgada angelegt. Da die Hafenbehörde von 12 – 14 Uhr in der Mittagspause war, haben wir uns, nach wieder einer Nacht auf See, für eine Mittagsruhe hingelegt, bis uns der Hafenmeister mit einem freundlichen Klopfen aufgeweckt hat. Wir hatten längsseits an einem langen Schwimmsteg angelegt, aber hier könnten wir leider nicht bleiben, sagte der freundliche Mann, ab morgen käme da ein großes Boot, das auch schon angekündigt sei. Aber wir sollen mal ins Marina Büro gehen, dort werde man einen Platz für uns finden. Und außerdem müssten wir einklarieren, das könne man neben dem Hafenbüro machen. Eigentlich komisch, denn wir kommen aus Frankreich und sind hier in Portugal, also beides Europa. Aber dazwischen liegt natürlich auch ein großer Ozean.

So schön liegt die Hexe hier am Steg

Gut, ich packe meine Papiere ein, Pässe, Bootsschein, Ausklarierung aus St. Martin, Versicherung für die Hexe, und mache mich auf den Weg. Das wird – leider – zu einer kleinen Odyssee. Der Hafenmeister hatte gesagt, es seien nur fünf Minuten, ich müsse nur durch den Tunnel gehen, die Treppe hoch und dann nach rechts. 

Die Wände sind voller gemalter Bilder mit den Booten, die hier von fernen Ländern her kamen

Ich mache mich also auf, durch den Tunnel, aber wo ist jetzt die Treppe? Geradeaus geht es zu einem Freibad, nicht so gemütlich, auf dem heißen Beton zu liegen, aber das Wasser scheint in Ordnung zu sein, die Badeanstalt ist gut besucht. Da geht es nicht weiter, also gehe ich mal nach rechts, an der langen Pier sind viele Restaurants und Geschäfte, da werden, ganz am Ende, wohl Immigration und das Hafenbüro sein. Ich schlendere die Pier entlang, die Restaurants sind schwach besucht, die Läden eher gar nicht, aber am Ende ist nix mehr, keine Behörde, nix.

Auf dem Rückweg frage ich in mehreren Läden nach, wo denn die Imigração sei, aber keiner weiß was. Beim Tunnel zurück stehen zwei offiziell aussehende Burschen, die schicken mich hoch auf die große Straße, und dann nach links. Ich frage noch einmal nach: „Links oder rechts?“ Links, links wurde mir beteuert. Ich steige also die breite Freitreppe hinauf, dort oben wird gerade ein Zelt aufgebaut, die Leute laufen geschäftig mit irgendwelchen Eisenstangen und Planen herum, und ich wende mich auf der breiten Avenue nach links.

„Komisch“, denke ich, „wo soll denn hier Zoll und Hafenbüro sein, das sieht alles nach Bürohäusern und Banken aus.“ Ein Stück gehe ich die Straße entlang, aber dann kehre ich um, und versuche es in die andere Richtung. Bei einer Autovermietung frage ich noch einmal nach, die freundlichen Mädels haben auch keine Ahnung, aber ihr Kollege sagt plötzlich, ich solle noch ein Stück weiter gehen, dann gäbe es eine Treppe, die solle ich nach unten gehen, und dann nach rechts, dort ganz am Ende sei das Hafenbüro. Tatsächlich, nach all den Irrwegen stehe ich vor dem Hafenbüro, melde mich mit allen Formalitäten an, und eine halbe Stunde Bin ich auf dem Weg zurück zum Boot. Mission accomplished!

Courtesy Álvaro RP | Die Prozession während des Senhor Santo Cristo dos Milagres
mit den geschmückten Straßen

In Ponta Delgada findet an diesem Wochenende ein großes Fest statt. Einheimische von den anderen Azoreninseln, Auswanderer aus Amerika, Brasilien, Kanada  etc. kommen extra deswegen angereist. Die Stadt ist voll, und alle werden der Prozession am Sonntag folgen, oder von den Balkonen der Innenstadt aus zuschauen.  Es ist zweifellos ein religiöses Fest, aber es erinnert ein bisschen an Rosenmontagszug in Mainz.

Die Sage schreibt, dass im 17. Jahrhundert, nahe eines Klosters im Süden der Insel, wahrscheinlich von einem havarierten Boot eine Kiste antrieb, in der sich eine Christusstatue  mit Dornenkrone befand. Die Nonnen nahmen die Reliquie zu den Schätzen des Klosters auf. Am 11. April 1700 veranstalteten die Nonnen eine Prozession, um für das Ende des schweren Erdbebens zu beten. Während eines starken Erdstoßes fiel die Statue zu Boden, und von da an war das Erdbeben beendet. Seitdem wird an dem 5. Sonntag nach Ostern in Ponta Delgada dieses große Fest gefeiert.

Am Abend schlendern wir durch die sehr hübschen Straßen der Altstadt, genießen die Atmosphäre bei einem Glas auf der Gasse, bevor wir uns ein Restaurant suchen. Nun, das war nicht so einfach, denn klar, wenn die Stadt voll ist mit Touristen zu Ehren des Festes, dann sind natürlich alle Restaurants voll belegt. Glücklicherweise finden wir – kurz vor dem Aufgeben – ein kleines Restaurant mit Sushi und chinesischen Gerichten, all you can eat. Lecker.

Der Eingang zur Altstadt

Anschließend sind wir zum Boot zurück gegangen und fanden am Anfang der Marina eine große Ausstellungshalle mit allen möglichen Konsumartikeln vor. Auch Kunsthandwerk, Wein und Essen von den Azoreninseln wurde angeboten. Für nur einen Euro Eintrittsgeld schlenderten wir an den Ständen vorbei, probierten da ein bisschen Gebäck, dort einen süßen Honigrum in den verschiedensten Geschmacksrichtungen, und vieles andere. Ein bisschen Schmalzgebäck und vier Trüffelpralinen mussten wir einfach einkaufen und zum Boot mitnehmen. Dort hat Volker nicht mal mehr die eine Dose Bier ausgetrunken, die er sich aus dem Kühlschrank geholt hatte, ehe er auf dem Sofabett in einen seligen Schlaf fiel. Die Nacht auf dem Meer fordert ihren Tribut.

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Wieder unterwegs

Donnerstag, 11. Mai 2023
Baro 1030, bedeckt, Nieselregen, Wind um 4, die See 1 -1,5 m

Hexe, Mann und Hase?

Gestern Abend haben wir einen schönen Spaziergang durch das noch ziemlich verschlafene Städtchen Praia Vitória gemacht. Man merkt sofort den portugiesischen Geist. Die Straßenfronten der Häuser sehen aus wie in Porto oder Sines, es gibt schöne kleine Plätze und ungefähr sechs Kirchen auf engem Gebiet.

In der eigentlichen Innenstadt ist nichts los, einzelne Gestalten, gerne auch mit Hund, wandeln durch die Straßen. Die Läden sind alle geschlossen, in den Kneipen oder Restaurants, die allerdings auch mehr Fast-Food-mäßig aussehen, ist höchstens ein Tisch besetzt. Die eigentliche Saison auf den Azoren fängt wohl erst im Sommer an. 

Der allererste Drink seit der Karibik

Glücklicherweise haben wir auf Anraten eines Australiers, der mit seinem Kat in der Marina liegt, eine Restaurantempfehlung bekommen für „O Pescador“. Volker hatte ein bisschen Bedenken, dass es dort nur Fisch geben würde, aber auf der draußen hängenden Speisekarte waren die verschiedensten Steaksorten aufgeführt. Wir wurden nicht enttäuscht! Der Service war großartig, das Essen eine Sensation, Oktopus für mich, Steak für Volker, beides außergewöhnlich lecker. Es gibt hervorragenden Wein vom ganzen Archipel. Hier wird tatsächlich auf allen Inseln Wein angebaut, wenn man mit dem Flugzeug anreist oder mit dem Boot, was auffällt, sind die Vulkankrater und die terrassierten Traubenfelder.

Die Hexe am Anker

Dass die Saison erst noch anfangen wird, ist uns auch von unserem Ankerplatz aufgefallen. Die wunderschönen langen Sandstrände werden in Ordnung gebracht, der Bagger schiebt Massen an Sand auf. den Strand und verteilt sie gleichmäßig „Praia“ heißt ja „Strand“ auf portugiesisch, wahrscheinlich ist die Stadt dafür berühmt, denn ansonsten gibt es bei vulkanischen Inseln höchstens mal schwarze Strände aus Lavasteinchen.

Die Azoren sind alle aus Vulkaneruptionen entstanden, Terceira zum Beispiel hat fünf Vulkankrater, bei den anderen habe ich es nicht gezählt. Und wie uns Freundin Inge-Lore von ihren früheren Reisen hierher beschrieb, gibt es auch immer noch Seebeben, ausgelöst durch Vulkanausbrüche unter Wasser. So sind die acht Inseln des Archipels entstanden.

Tja, und heute Nachmittag sind wir schon wieder Ankerauf gegangen, morgen früh wollen wir in Ponta Delgada sein, um einen Tag mit einem Leihauto die Insel zu erkunden und um unsere Vorräte aufzufüllen für die Überfahrt nach Lanzarote.

Warum wir es so eilig haben? Nun, bei der Ankunft auf Terceira hat Volker plötzlich festgestellt, dass unser Backbord Ruderblatt einen Schaden haben muss, denn statt der gewohnten Farbe schaute er auf glattes Weiß! Ein Teil des Ruderblattes ist weg! Noch können wir das Ruder normal gebrauchen, solange nicht mehr Teile sich verabschieden. Irgendwie müssen wir etwas getroffen haben, ein „UFO“, (ja das gibt es auch im Wasser, ein „Undefined Floating Object“), ein Stück Holz, einen Container oder sonst was, undefined halt. Deshalb sollen und wollen wir jetzt nach Lanzarote, weil dort der Schaden repariert werden kann. Es gibt einen Travellift, der breit genug ist, um die Hexe aus dem Wasser zu holen. Außerdem ist es viel einfacher, dort eventuell nötige Teile hin schicken zu lassen.

oh je!

Heute Abend, auf See, gibt es “Reste essen” zum Abend, damit wir den Kühlschrank frei haben für die Einkäufe. Außerdem gehen wir sicher die nächsten beiden Abende an Land essen, ehe wir wieder allein auf weiter See sind.

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Back to Europe, letzter Tag

Dienstag, 10. Mai 2023

Baro 1025, Nebel, später ergiebiger Regen (hätten wir einen Regenwassersammler, wären unsere Tanks heute voll geworden), Wind zunächst um 5 Knoten von vorne, ab 12:30 (ein bisschen verspätet laut Wettervorhersage) 15 Knoten aus 100° von Steuerbord, die See: nur atlantische Dünung. 

Die für gestern Abend angekündigte Königinpastete wurde gestrichen, statt dessen gab es eine frisch gekochte Kartoffelsuppe mit Mettwurst.



Morgens müssen wir noch unter Motor fahren, erst ab Mittag kommt ein beständigerer Wind aus Süd mit 15 Knoten im Gepäck. Nach anderthalb Stunden, in denen Volker Mittagsschlaf machen konnte, frischt der Wind immer weiter auf, sodass ich den Skipper wecke: „Wir müssen reffen!“ Zuerst die Genua, 30 Minuten später kommt Reff 1 ins Großsegel. Damit läuft bis jetzt alles stabil, mal sehen, wie lange.

Trotzdem muss der Motor ein bisschen mitlaufen, es it so kalt im Boot, wir machen für eine Stunde die Heizung an. Das hier ist nichts für die wärme-verwöhnten Karibiksegler! Zieht ein anderes Wolkengebilde durch, kann es sein, dass der Wind auf ein Minimum nachlässt, dann kehrt  er zurück und die Hexe rennt wieder los. Das macht Spaß, denn die See ist schön flach. Einreffen, ausreffen, bei der Genua ist es einfach, da muss nur die Elektrowinsch arbeiten, und der Skipper, wenn er nach dem Verkleinern die Genua wieder dicht holen muss.

Der Skipper hat das Ruder fest in der Hand

Um 20:30 Uhr legt Volker sich hin, ich warte am Kartentisch auf die tägliche Funkrunde mit Bernd und Jan um 19:00 UTC, 21:00 unserer Zeit. Bei der Ankunft morgen wird die Uhr noch einmal zwei Stunden vorgestellt, dann sind wir in der Azoren Ortszeit. Jan und Bernd kann ich heute gut verstehen, wir tauschen en paar Fakten über die jeweils erlebten Situationen des Tages aus. Bernd und Rainer hängen leider immer noch in der windarmen Zone, während es bei uns ja eher Starkwind hat. Zum Schluss verabreden wir uns noch einmal zur gleichen Stunde am morgendlichen Tag, ab dann steige ich aus, wir werden hoffentlich nicht die nächsten Abende an Bord verbringen, wir wollen mal schauen, was die Azoren so an kulinarischen Highlights aufzuweisen haben, und welche lokalen Biersorten es hier wohl gibt.

01:10 Der Wind hat auf über 24 Knoten zugenommen, wir verkleinern – mal wieder – die Genua.

Der kleine Kalmar hat sich verirrt

01:40 Mittlerweile weht es mit über 26 Knoten,  Das hat bestimmt etwas mit der Düse zwischen den Inseln Pico und Sao Jorge zu tun, das ist eine Accelleration Zone, wie wir sie von den Kanaren kennen. Die beiden lang gestreckten Inseln, Pico und Sao Jorge,  liegen parallel zu einander, dazwischen wird der Wind kanalisiert. Jetzt muss Reff 2 in das Großsegel. Im Cockpit muss man – wie auf Helgoland  – mit persönlicher Schräglage gegen den Wind ankämpfen; wenn das Boot in den Wind gedreht wird, hat man am Steuerstand das Gefühl, die Haare flögen vom Kopfe.  

Keine halbe Stunde später ist der Spuk vorbei, die stärkste Düse überwunden, Volker refft die Genua wieder aus. Das Großsegel bleibt erstmal in Reff 2, hier zwischen den Inseln ist nicht klar, wann die nächsten stärkeren Winde anfangen. Wir werden noch zwischen Sao Jorge und Terceira durch fahren, aber Terceira ist ganz rund, während Sao Jorge eben diese langgestreckte Form hat. Da wird schon Wind kommen, aber eher nicht so viel wie noch eben.

Die Dämmerung, mal dramatisch (Volker), mal verheißend (Cornelia)

Pustekuchen! Mit der ersten Helligkeit des neuen Tages, geht es wieder los, 27 – 28 Knoten, sogar bis 29 Knoten Wind zeigt das Display am Kartentisch an, die Genua wird wieder auf „Handtuchgröße“ verkleinert. Gut gemacht, je näher wir der Insel kommen, desto mehr frischt der Wind auf, bis 36 Knoten auf dem Display stehen.

Nach einer Stunde sind wir aus der Starkwindzone raus, die Windgeschwindigkeiten nehmen ab. Leider zeigt sich Terceira in einem etwas einförmigen Grau, doch die fünf (!) Vulkankegel sind aus der Ferne gut zu erkennen. Rechts von der Insel ist der Himmel leicht rosa gefärbt, das macht Hoffnung auf einen nicht komplett bedeckten Tag.

Ankunft an der Hafeneinfahrt: Mittwoch 10. Mai 2023, um 07:27 (UTC 09:27),nach2414 sm.
Der Anker ist fest im Grund um 07:47, in der Bucht von Praia Vitoria, Terceira

Statistik 

  • 2414 sm in
  • 13 Tagen, 19 Stunden = 331 Stunden
  • Durchschnitt Geschwindigkeit 7,3 kn
  • Distanz unter Motor 248 sm
  • Motorstunden 49 h
  • Max Wind 36 kn
  • Max Speed 17,9
  • Niedrigstes Etmal 122 sm
  • höchstes Etmal 221 sm
  • Bierkonsum noch immer 1,75 l, bald ansteigend
  • gegessene Eier 40
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Back to Europe Tag 14

Dienstag, 9. Mai 2023

Notwendigkeit

An Freiheit des Menschen im philosophischen Sinne glaube ich keineswegs.
Jeder handelt nicht nur unter äußerem Zwang, sondern auch gemäß innerer Notwendigkeit

(Albert Einstein)

Eigentlich könnte man meinen, dass der Segler seinen Kurs, frei von äußeren Zwängen, selbst bestimmen kann, und den Bug seines Bootes dahin richten kann, wo er hinfahren möchte. Jederzeit und immer. Doch selbst der abenteuerlustigste Seemann unterliegt zahlreichen äußeren Einflüssen, die massiven Auswirkungen auf seinen Kurs und die erreichbaren Ziele haben. Doch nicht nur äußere Faktoren haben Einfluss auf des Seglers Reise, sondern auch Gefühle, Empfindungen und Erfahrungen, die uns im Laufe des Lebens prägen. So ist bei mir schon vor geraumer Zeit ein innerer Widerstand gegen Horta spürbar, den ich erst einmal einsortieren musste.

Es lag nicht nur am Wetter, dass Volker nicht hierher wollte …

Jetzt weiß ich, woher der kommt und warum ich mich die ganze Zeit nicht auf Faial und den Landfall freuen konnte. Es gab schon vor dem Internet immer wieder mal Berichte in Seglerzeitungen und Fachbüchern, die beschreiben, dass die Situation für Segler, insbesondere, wenn die Boote so zahlreich sind, dort nicht so einfach ist.Vor allem wenn mal ein Sturm durchs übervolle Ankerfeld rast. Es haben sich wohl schon viele dramatische Szenen dort abgespielt, die in Kollisionen zwischen Yachten mündeten. Es waren wohl diese lang zurückliegenden Berichte und die bisher gemachten Erfahrungen mit eng beieinander ankernden Yachten, die dieses negative Gefühl über Horta an die Oberfläche gebracht haben.

Auch Inge-Lores Schilderung heute Morgen, von den Liegeplätzen an der Hafenmauer, im gezeitenabhängigen Revier, inklusive der notwenigen Kletterübungen, fördern kein positives Karma an den Tag. Weiterhin erzählte sie uns, dass der Ankergrund unrein sei und immer wieder Taucher engagiert werden müssten, um Anker zu befreien, die sich an irgendwelchen versenkten Dingen am Meeresgrund eingehakt haben. Zudem sei der Ort nicht wirklich hübsch und das berühmte Café Peter Sport in der Regel heillos überfüllt. 

Die innere Ablehnungshaltung und die neue Information von außen waren dann Grund genug, dass wir unseren Kurs auf ein anderes Ziel ausrichten werden. Nach langem Hin und Her und nochmaligem Telefonat mit Inge-Lore, ist es schließlich Terceira geworden, dort werden wir wahrscheinlich den Anker werfen in der Angra do Heroismo,  der Bucht des Heldenmutes. Die gleichnamige Stadt soll zudem der mit Abstand schönste Ort auf den gesamten Azoren sein. Wir sind mal wieder sehr gespannt, wie es dort aussehen soll und freuen uns total auf den baldigen Landfall. Vielleicht, das ist dem plötzlich aufgetretenem Wind geschuldet, der uns gerade auf über zehn Knoten Fahrt beschleunigt hat, wird es für morgen erst einmal die Praia do Vitória, eine gut geschützte Bucht gegen die bis zum nächsten Tag andauernden Südwinde.

Das Ziel wurde neu positioniert

Jetzt liegt doch noch eine komplette weitere Nacht auf See vor uns, egal ob fremd bestimmt oder durch innere Notwendigkeit. 

Einstein hatte recht!

Statistik:

  • Noch 150 Seemeilen
  • Erst Nebel dann Dauerregen
  • Leichter Wind genau von vorne
  • Motorfahrt für 14 Stunden
  • Seit 12 Uhr 15, volles Groß und Genua bei 10-15 Knoten Wind aus 95 Grad, mit 7-9 kn Fahrt
  • See: 3/4 Meter Dünung, keine Windwelle
  • Die Heizung läuft immer mal wieder
  • Abendessen: Königinpastete mit Kalbsragout (nicht selbst gemacht, courtesy Chefkoch von LeaderPrice, dem französischen Discounter)
  • Eine Möwe besucht uns, macht es sich auf dem Bugkorb bequem und bleibt längere Zeit bei uns
  • Delfine, die mit dem Boot spielen
  • Bier und Wein (letzte Flasche Giguan von Lanzarote) sind für die Ankunft kaltgestellt
  • Ja, Segler (also wir) müssen auf den Azoren einklarieren

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Back to Europe Tag 13

Montag, 8. Mai 2023
Baro gestiegen um 5 Grad auf 1023. leider noch bedeckt, aber die Wolkendecke ist ein bisschen dünner, Wind 12 – 16 Knoten, kühl, die See 2,5 m

13 Stunden haben wir gestern durch motort, bevor der Wind, erst zögerlich und später kräftiger, mit 15-21 Knoten aus süd-südwestlicher Richtung wieder eingesetzt hat. Mit vollem Großsegel und voller Genua ging es durch die Nacht, zum Teil mit doppelstelligen Geschwindigkeiten.

Stundenlang zieht uns der bunte Gennaker

Über  100 Seemeilen sind wir in 12 Stunden gesegelt, und haben somit Stück für Stück verlorene Meilen von der langsamen Motorfahrt wieder eingeholt. Wir pushen das Boot, damit wir möglichst lange in dem schmalen Windkorridor bleiben, außerhalb davon ist es nahezu windstill. Früh am Morgen ging der Gennaker nach oben und seitdem segeln wir, zwischen 6-8 Knoten schnell, mit raumem Wind um die 3-4  Beaufort.

Wie lange das wunderbare Segelvergnügen anhält, lässt sich nicht präzise sagen, da dieses Windfeld langsam nach Norden abzieht und erst morgen früh von einem einsetzenden Ostsüdost-Wind ersetzt wird, dieser aber soll dann dann bis zum Ziel durchstehen. Es kann jedoch gut sein, dass wir in der Nacht abermals in einem Flautenfeld einparken werden. Um möglichst tiefe Kurse mit dem Gennaker fahren zu können, haben wir ihn schon, so weit es geht, zum Luvrumpf gezogen. Dort steht er fast wie ein asymmetrisch geschnittener Spinnaker.

Das war jetzt der segeltechnische Teil des heutigen Blogbeitrages, und wer nicht alles versteht kann: wirklich gerne nachfragen. Noch haben wir Zeit, noch sind es 200 Seemeilen bis Faial. 

Jetzt kommt dann schon der nächste, diesmal ausrüstungstechnische Teil vom Blog.

Basteljob, das angerissene Großsegel

Ein Problem zeigt sich, als wir das Großsegel auf dem Baum liegen haben. An der Stelle, an der die Leine angreift, die das ausgestellte obere Teil des Großsegels (das Squarehead) aufstellt und der wir schon mehrfach repariert haben, ist durch den Zug der Leine das Segeltuch auseinander gerissen. Bilder sagen da mehr als viele Worte, hier liegt ein echtes Projekt vor uns, dem wir uns in Horta widmen müssen.

Bei der Routinekontrolle des Lümmelbeschlages ist mir aufgefallen, dass eine Hälfte des Sicherungssplintes abgebrochen  ist und auf Austausch wartet. Außerdem müssen wir ja noch die mehrfach erwähnten Ruderquadrantenprobleme lösen. So wird es uns sicher nicht langweilig auf den Azoren, ein Boot bei dem nichts  kaputt geht oder ist, gibt es wohl nicht.

Vorhin hat Cornelia zur Vorbereitung unserer Ankunft auf Faial schon mal die elektronische Seekarte für den Kartenplotter geladen, dank Starlink funktioniert auch das bestens. Wir konnten über Starlink sogar Filme streamen, das hat ein bisschen Abwechslung in den Bordalltag gebracht. So ein Kinonachmittag auf hoher See ist sehr unterhaltsam, wir haben dabei Filme wie Titanic oder All is lost, strict vermieden. Wir mögen Komödien oder Krimis als Genre, oder eine gut gemachte Dokumentation ist auch in Ordnung, nur so richtige Problemfilme oder Dramen vermeiden wiran Bord zu schauen.

So, wie es zur Zeit aussieht, liegt noch eine letzte komplette lange Nacht auf See vor uns. Ob wir es schaffen, morgen am helllichten Tag anzukommen, darf bezweifelt werden. Dafür sind wir zu langsam unterwegs, und auch die zuvor erwähnte Windvorhersage macht wenig Hoffnung darauf. Wir schätzen, dass wir, obwohl wir das nicht wirklich mögen, mitten in der Nacht von Dienstag auf Mittwoch in der Nähe des Hafens vor Anker gehen. 

Sunset vor der letzten Nacht

Irgendwie bin ich nun auch, wie bei mir üblich, vollkommen auf die Ankunft fixiert. Als ob ein Schalter umgelegt wurde, der Weg ist ab jetzt nur noch Mittel und Zweck um anzukommen. Die See, das Boot und der Wind sind die notwendigen Gehilfen dafür. Hört sich nicht nach Seefahrerromantik an, sondern nach Stress, das ist es aber auch nicht. Ich glaube, es geht eher darum, wie bei allen anderen längeren Segelreisen, so auch diese Fahrt sicher zu Ende zu bringen. Und das Ende ist erst da, wenn sich der Anker fest in den Grund vor Horta eingraben hat!

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Back to Europe Tag 12

Sonntag, 07.Mai 2023

Baro 1014, noch bedeckt, Wind um 7 Knoten, leider ganz aus West, konfuse See 2,5 bis 3 m, es wird immer kühler, die Wassertemperatur liegt bei 17 Grad (brrrr)

Sonnenaufgang, hinter Wolken

Es war eine unruhige Nacht, als ab Mitternacht der Wind deutlich nachgelassen hatte, sind wir zum Teil mit nur noch vier Knoten voran gekommen. Die Segel schlugen, es ist ein scheußliches Geräusch, das Boot  bewegt sich, als sei man auf einer dieser seltsamen Jahrmarkt-Fahrgeschäfte, bei denen man komplett durchgeschüttelt wird.

Party in der Nacht? So viele Boote auf einmal haben wir die ganze Reise über nicht gesehen

Um 06:00 ist Schluss mit segeln, Genua und Großsegel werden geborgen, ein Motor geht an, auf halbwegs sparsamen 1800 Umdrehungen. Die Wellen sind zunächst immer noch hoch, aber das Meer wird zunehmend flacher und ruhiger. Der Wassermacher wird angeschaltet, der Motor wärmt das Wasser im Tank, wir können nachher luxuriös mit heißem Wasser unter der Dusche stehen, und nicht nur morgens mit der kleinen Katzenwäsche in den Tag starten. 

Sie hängt wieder, unsere Ersatzuhr, bis die alte aus der Reparatur zurück kommt

Die gestern wiederum eine Stunde vorgestellte Uhr, kann an ihrem Platz fest geschraubt werden, das war gestern Abend wegen des rupppigen Wellengangs nicht möglich. Jetzt sind wir noch eine Stunde näher an Europa, wenn es bei uns an Bord 15 Uhr ist, und wir gemütlich ein Stück Kuchen zum Nachmittagskaffee bekommen, haben die meisten Deutschen schon zu Abend gegessen, dort ist es dann 19 Uhr.  Erst auf den Azoren wird die Zeit noch einmal weiter gedreht, diesmal um zwei Stunden, denn abgesehen von der nächsten Zeitzone ist dort auf Sommerzeit umgestellt worden.  In der Karibik gibt es keine „daylight saving time“, es ist 12 Stunden hell, 12 Stunden dunkel. 

Zu dem oben erwähnten Nachmittagskaffee gab es zwar keinen Kaffee, aber Brownies, die ich aus einer amerikanischen Fertigbackmischung zusammengerührt und 40 Minuten im Ofen gebacken habe, Lecker, aber sehr süß, am besten ist man die Stückchen mit saurem Apfel, vielleicht sogar mit Apfel und Philadelphia Frischkäse. Das probiere ich morgen. 

Volker wäscht an den Steuerständen ein bisschen das Salz ab, und inspiziert die eingerissene Stelle am Großsegel, die wir vor nicht allzu langer Zeit repariert hatten. Es ist auch nicht an dieser Stelle gerissen, sondern neben dran, unsere Reparatur hat bombenfest gehalten.

Kaum auszumachen: Flipper im grau der Wellen

Am Morgen haben uns, zum ersten Mal auf diesem Abschnitt, Delphine besucht, fünf oder sechs kleine Kerle spielten zwischen den Rümpfen, nur leider waren Meer und Himmel so grau, dass Volker nicht einmal ein brauchbares Foto schießen konnte.

Am frühen Nachmittag starten wir einen erneuten Segelversuch, denn der Wind hat auf zwölf Knoten zugenommen. Nicht wirklich beständig, kommt die eher leichte Brise aus 180° zum Boot. Bei dem Wellengewackel setzen wir den Gennaker nicht, wie schon bei früheren Gelegenheiten auf dieser Reise hätten wir Angst um sein dünnes Tuch. Segel wieder fort, Motor an, der „Dieselwind“ schiebt.

Das Wetter hat – laut Vorhersage – auch keine großen Windmengen mehr im Gepäck. Vielleicht dreht der der leichte Wind dann wenigstens so weit auf Süd, dass wir mit einem Windeinfallswinkel von 90 – 100 Grad fahren könnten, dann würden uns 8 – 10 Knoten locker reichen.

Heute Abend gibt es vom Skipper selbst zubereitete Canneloni, ich freue mich schon darauf.

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Back to Europe Tag 11

Seit Anbeginn des Tages versucht sich die Sonne mit aller Macht gegen die Wolken durch zusetzten. Leider verliert die Sonne den Kampf und weit dicke, bitterliche Tränen. Mehr als eine matte Erscheinung des guten Planeten, hinter einen grauen Wolkenschicht, ist heute nicht drin. Das war leider schon zum Tagesstart absehbar, den ich, in meiner langen Freizeitkarriere auf See, so duster, noch nie erlebt habe. Doppelt schlecht für uns, das Ganze, denn keine Sonne bedeutet auch keinen Ertrag über die Solarpaneele.

So dunkel war es heute morgen bei Sonnenaufgang, die hat sich hinter Wolken versteckt.

Heute früh gab es einen Frontendurchgang mit Böen über 38 kn und länger andauernden 35 Knoten Wind, dabei wurde durch die oben erwähnten dicken Sonnentränen der Katamaran einmal gründlich an Deck entsalzen, auch gut.

Wir wollen es nicht beschreien, doch der Quadrant hat trotz aller Böen und hohem Seegang bis jetzt gehalten, was schon mal ein großes Plus ist. 

Die letzte Nacht verlief insgesamt ereignislos, (naja, wir haben um 23 Uhr ein 2, Reff ins Groß gebunden, das ist doch stets ein aufregendes Szenario, mit hohen Wellen gegenan, wenn wir in den Wind gedreht haben, usw.) Wir haben ein uns unbekanntes Segelboot in einem Abstand von drei Seemeilen überholt, eine der seltenen Begegnungen mit anderen Seglern auf dem weiten Meer. Die Wellen haben nun, wie vorhergesagt, eine Höhe von ca. 4 Metern erreicht, und  das Boot wird schon ordentlich durcheinander geschüttelt, bevor es den Wellenberg runtersurft, und wenn es relativ langsam, im Wellental ist. Ein Ständiges auf und ab und hin und her bedeutet bei diesem Seegang, dass das Schlafen einem da nicht ganz so leicht fällt, man ist mit einem Ohr immer beim Boot. 

Die Wellen sehen hier so klein aus, aber sie sind sicher drei bis vier Meter hoch.

Die Hexe hält sich prima in diesem konfusen Seegang und ist ein echter Meilenfresser. Respektable 220 Seemeilen haben wir in den letzten 24 Stunden zurückgelegt, das bedeutet einen Schnitt von über 9 Knoten in der Stunde. Die Segelei hier im Nordatlantik ist insgesamt anspruchsvoller als auf der Passatroute, macht mir aber viel mehr Spaß. Jetzt surfen wir schon seit Tagen von einer Welle in die nächste. Die Glückshormonproduktion ist im vollen Gange, ich liebe diese Art zu segeln. Cornelia ist nicht so Dopamingesteuert, aber ebenfalls in ihrem Rhythmus und froh gestimmt.

Wir sind auch sehr glücklich, dass unsere Champagne-Challenge Wettgegner das kleine Sturmtief, das über sie hinweggezogen ist, abgesehen von einer kleinen Kurskorrektur, wahrscheinlich auch wegen dieses Umwegs, gut überstanden haben. Am heutigen Abend soll nochmals eine Front mit bis zu 35 Knoten möglicherweise über uns hinwegziehen. Wir sind mit kleinen Segeln darauf vorbereitet.

550 Seemeilen trennen uns von Horta. Dienstag sollen wir, so wie es die letzten Berechnungen ergeben, wohl ankommen. Dem  zwischenzeitlichen Gedanken, direkt nach Madeira weiter zu segeln, war die Capitania nicht so zugeneigt, und nun ist er auch komplett verworfen.

Kurs Horta liegt an, die Winde sind günstig, einen ganz kleinen Schlenker zur Flautenvermeidung müssen wir nach Osten machen, wir sollten dann ohne Motorfahrt durchkommen.

Heutiges Etmal 221 Seemeilen
Barometer stabil bei 11012
1,5 Gigabyte Datenverbrauch bei Starlink
Bierverbrauch seit Saint Martin, 1, 25 l

Abends ist es ein bisschen heller als bei Sonnenaufgang , aber immer noch grau, grau, grau, und es regnet, der Regen wiederum wäscht das Salz vom Boot, man kann das auch positiv sehen. Es ist sowieso zu kalt, um an Deck zu sitzen.

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