Vor Sardinien

Jetzt haben wir wieder Netz, hier die Fortsetzung unseres Logbuchs vom Samstag, 17. Juni:

Um 08.00 Uhr hat der versprochene Wind gefrühstückt und bläst die Backen auf, wir haben, diesmal rechtzeitig, gerefft, das Groß im 2. Reff und zwei Umdrehungen in der Genua. Manchmal surft die Hexe, dann kommen wir sogar mit dieser Besegelung auf über neun Knoten Geschwindigkeit.

Die französische Marine grüßt die Hexe

08:45 Uhr: Der Wind frischt weiter auf, 27 Knoten werden leicht erreicht, wir drehen die Genua noch ein Stück weg, ich hab schon die 16,3 Knoten Geschwindigkeit über Grund auf der Anzeige gesehen.

Leider geht es mir heute nicht so gut, entweder habe ich irgendein Essen nicht vertragen, oder ein kleiner Magen-Darm-Virus hat sich eingeschlichen, seekrank bin ich ganz sicher nicht. Aber der Blick von der Toilette in unserem Bad über die sich auftürmenden Wellen ist richtig gut, manchmal kommt sogar eine bis ran und spült die Fensterscheiben. Ich leg mich einfach hin, Volker übernimmt das Segeln, refft die Genua wieder aus.

Eine Libelle zu Besuch, über 100 Meilen von der Küste entfernt

Um 11:45 Uhr möchte Volker auch das Groß ausreffen, als wir in den Wind drehen, sehe ich allerdings, dass der Windanzeiger plötzlich über 20 Knoten anzeigt, warum stimmt das nicht mit dem wahrem Wind überein? Das Problem hatten wir auf der alten Hexe schon mal, da waren die kleinen Paddelrädchen der Logge bewachsen und drehten sich daher nicht mehr. Dadurch wird die Geschwindigkeit durch das Wasser nicht mehr ermittelt und durch diese fehlende Information zeigt das System eine falsche Windgeschwindigkeit an. Wir segeln zunächst so weiter, mit der Genua im Schmetterling, und reffen um 13.00 Uhr dann doch aus.

Vorhin war einmal ein einzelner Delfin bei uns, spielte zwei Minuten und verschwand wieder. Ebenfalls verschwunden ist leider unsere Backbord Achterleine. Die hat Neptun sich mit einer Welle aus der Tasche geholt, Frechheit!

Sonnenbad auf dem Trampolin

14:00 Uhr: Nach dem Mittagessen (nur für Volker heute) macht er es sich auf dem Trampolin bequem. Und dann kommen die Delfine, vier an der Zahl, sie tanzen in Zweierformationen zwischen den Rümpfen, umspielen den einen Rumpf, dann den anderen, machen elegante, manchmal auch sehr tolpatschige Sprünge, besonders, wenn sie versuchen, sich in der Luft zu drehen, endet das oft in einem Bauchplatscher. Schnell können sie durchs Wasser gleiten, 7 – 8 Knoten Geschwindigkeit sind gerade gut, und dann kreuzen sie noch vor den Rümpfen hin und her. Fast eine Stunde sind sie bei uns geblieben.

18:30 Uhr, Baro 1009, sonnig, Wind NW um 10 Knoten. Der Wind hat weiter nachgelassen, wir setzen den Genaker, machen aber leider nur noch 4,5 Knoten über Grund. Dafür sind seit heute Nachmittag die Wellen kleiner geworden, nix schlägt mehr innen an den Rumpf. Nur Volker ist pessimistisch: „Spätestens ab Sonnenuntergang lässt hier der Wind komplett nach, das wird bestimmt eine Motornacht!“

Sonnenuntergang

Unsere Vermutung bezüglich des Windes bewahrheitet sich leider, pünktlich zum Sonnenuntergang geht dem Wind die Puste aus. Der Motor muss ran. Ringsherum ist pottenschwarze Nacht und ein sensationeller Sternenhimmel zieht auf, atemberaubend. Ich gehe schlafen, überprüfe vorher noch, dass die AIS-Alarme eingeschaltet sind.

23:30 Uhr, Baro 1010, Wachwechsel. Ich verstelle die Helligkeit der Digitalanzeigen an den Steuerständen. Beim Autopilot macht man das mit der Taste, die ihn auch auf Standby schaltet. Anschließend überprüfe ich, dass der eingestellte Kurs noch stimmt, übersehe dabei aber leider, dass der Autopilot ausgeschaltet ist. Zehn Minuten später zeigt der Windmesser gut segelbare 9 bis 10 Knoten Wind, mit einem Windeinfallswinkel von 70° Grad, ideal! Ich wecke Volker, jetzt ist der Wind auf 14 Knoten. Der Skipper kommt willig aus den Federn, steckt die Nase in den Wind, schaut auf dem Kompass und wundert sich, warum wir wieder nach Frankreich zurücksegeln.  Oje, dumm gelaufen!

Da es mit dem Segeln dann doch nichts ist, geht er, genau so schnell wie er rausgekommen ist, zurück in die Federn, steht aber um 01:00 Uhr schon wieder auf der Matte. Bettgehzeit für die Capitania.

Um 03:00 wache ich ganz schuldbewusst auf, weil ich denke, es würde schon gleich hell werden und ich hätte viel zu lange geschlafen. „Nein, nein“, beruhigt Volker mich, „alles o.k.“.

Volker kann noch ‘ne Mütze voll Schlaf vertragen und heuert vom Kommandostand ab – ich übernehme die Wache. Überprüfe zunächst mal im AIS, dass sich keine feindlichen Schiffe nähern, schalte ich kurz das Radar ein, falls hier kleinere Boote ohne AIS herumschippern sollten, aber alles ist ruhig. Der Passagierdampfer „Sovereign“ wird erst in zweieinhalb Stunden in über 17 Seemeilen Entfernung unseren Weg kreuzen. Den werden wir noch nicht mal sehen. Auch beim Rundumblick von der Brücke ist alles klar, es gibt fast keine Welle, und die mittlerweile aufgegangene Mondsichel spiegelt ihr Licht im glatten Wasser, weiterhin Motorfahrt.

05:25 Uhr: Genau um diese Zeit entdecke ich ein ein AIS-Signal von einem 18 Meter langen und 6 Meter breiten französischen Schiff auf dem Bildschirm, das den seltsam anmutenden Namen „AD 5 Solosailor“ trägt.  In der aufkommenden Morgenröte kann ich nur ein großes Segel ausmachen, das Schiff ist über drei Seemeilen entfernt und fährt weiter in Luv, wie wir unter Maschine.

Sonntag, 18. Juni 2017, Baro 1010, sonnig, Wind NO um sieben Knoten, auf See

Der Segelkollege AD 5 Solo Sailor

Die Regattayacht Imoca 60

06:30 Uhr: Der Skipper ist aufgewacht, wir haben Halbwind, 6-8 Knoten, versuchen mit dem Gennaker zu segeln, mal sehen, wie lange die Brise anhält. Die französische Yacht hat jetzt ebenfalls den Genaker gesetzt und segelt seitlich versetzt hinter uns her. Der Skipper nimmt das Fernglas in die Hand und bestätigt mir seine vorangegangenen Vermutungen, dass es sich um eine Imoca 60 Regattayacht, handelt, mit der Segelhelden, u.a. solo und non-stopp um die Erde segeln. So ein Schiff sieht man nicht alle Tage, beinahe zwei Stunden können wir, mit optimal getrimmten Segeln, die französische Konkurrentin hinter uns halten. Die ändert dann die Richtung und rauscht mit Südkurs davon.

09:30 Uhr: Der Windeinfallswinkel wird zu spitz, obwohl wir mit dem Genaker schön Fahrt machen, wird der Kurs zu ungünstig, wir nehmen in weg und rollen die Genua aus. Hoch am Wind geht es weiter.

Frühstückstisch, gedeckt

10:15 Uhr, jetzt soll es Frühstück geben, aber der Skipper beschließt, vorher noch die festsitzende  Logge zu ziehen, damit wir wieder wahre Windgeschwindigkeit und -einfallswinkel sehen können. Das Ganze ist immer ein bißchen tricky, denn in dem Moment, in dem man die Logge samt Paddelrädchen aus dem Gehäuse rauszieht, hat man ein kreisrundes Loch im Bootsrumpf, aus dem fontäneartig Salzwasser ins Schiffsinnere spritzt. Man muss dann blitzartig den Blindstopfen als Ersatz in das Loch stecken und festschrauben, damit das Schiff nicht geflutet wird. Das Paddelrädchen ist schnell von Muschelbewuchs und Dreck befreit, und alles geht den umgekehrten Weg. Also Blindstopfen raus und flugs die Logge wieder reingesteckt. Anschließend sind ca. zwei Liter eingedrungenes Salzwasser aus der Bilge zu lenzen.. Leider tröpfelt es noch nach, der Skipper flucht, die Dichtung hat sich verkantet – Problem erkannt – Problem gebannt. Danach sind wir hungrig und bereiten einen reich gedeckten Frühstückstisch im Cockpit vor.

12:00 Uhr, Baro fest auf 1010, 14 Knoten Wind, Amwindkurs, glatte See, das ist segeln vom Feinsten. Dabei lacht die Sonne vom Himmel, rundherum sind keine Boote zu sehen, im Moment auch keine Frachter, nur einen Schwertfisch und einen Mantarochen hat Volker aus dem Wasser springen sehen.

14:00 Uhr: Der Wind dreht auf Südost und wird immer schwächer, wir rollen die Genua weg und machen den Motor an, denn mit drei Knoten Speed und das in die falsche Richtung, kommen wir ja nie an.

18:00 Uhr, wir motoren immer noch, es sind zwei Knoten Wind. Tatsächlich ist gerade mal ein Frachter zu sehen, die „Oriental Jasmine“, die in anderthalb Seemeilen passiert mit Kurs nach Marseille. Ansonsten ist nichts los…

Der Genaker in der Abendsonne

19.00 Uhr, der Motor geht aus. Der Gennaker zieht uns bei wenig Wind langsam durch das aufgewühlte Mittelmeer. Die hohen Dünungswellen passen so gar nicht zur leichten Brise. Das Segelvergnügen ist nur von kurzer Dauer und um

21.30 Uhr geht der Volvo Penta Motor wieder an, gut, dass wir vor der Fahrt die Dieseltanks gefüllt haben.

Volker hat heute mittag so viele Frikadellen und die Rillettes und Kekse gegessen, dass ich mir mein Abendessen alleine mache, aus den Resten von gestern und Pilzen und Zwiebeln gibt es eine leckere Gemüsepfanne, das wäre sowieso nichts für den Skipper gewesen.

Sonnenuntergang

Während ich schlafe, versucht Volker es mal wieder mit segeln,  aber bei Windgeschwindigkeiten um fünf Knoten genau von hinten geben wir auf, bergen Genua und Großsegel, und motoren durch die Nacht.

01:30 Uhr, Baro gestiegen auf 1013, wieder ist es eine über dem Wasser sehr dunkle Nacht. Dank meiner Sternenapp kann ich mich am Himmel orientieren, Milchstraße, den großen Bär und Kassiopeia hätte ich auch so erkannt, aber Waage und Schlangenträger an Steuerbord, und Andromeda und Pegasus an Backbord neben der Kassiopeia habe ich dank der App kennengelernt. Ab und an flutscht mal eine Qualle phosphoreszierend unter den Rümpfen heraus, falls man tagsüber mal an ein kühles Bad gedacht hätte, sollte man zumindest gut Ausschau halten, in der Nacht sehen die Dinger ganz schön groß aus.

03:10 Uhr, im Osten geht der sichelförmige goldgelbe Mond auf, ab jetzt wird der viertelstündliche Rundumblick leichter, wenn der Mondenschein das Wasser erhellt. Allerdings schiebt sich von unten gerade ein Wolkenband darüber, hoffentlich macht mir das keinen Strich durch die Rechnung. Die Nacht ist angenehm warm, aber wie alle Nächte im Süden, unglaublich feucht, dEck und Brücke sind nass, leider auch die Sitzbänke an den Steuerstellen, sodass man doch eher drinnen sitzt. Der Passagierdampfer „Mediterranée“ zieht hell erleuchtet an Backbord vorbei

05:00 Uhr Wachwechsel, der Skipper ist aufgewacht und schickt mich zu Bett.

Montag, 19. Juni 2017, Baro 1015, leicht bewölkt, Wind variabel, auf See

Mit der Windsteuerung klappt das wunderbar

07:00 Uhr: Während ich noch in der Steuerbordkabine liege, geht der Steuerbordmotor an, Zeichen, dass ein Manöver geplant ist. Ich hüpfe aus dem Bett, richtig, Volker ist gerade dabei, das Großsegel zu setzen. Auch die Genua wird ausgerollt, und dann geht er zu Bett. Aber nicht, ohne dass er von unten, auf der Seite liegend, mit geschlossenen Augen, ab und zu Anweisungen ruft: „Abfalllle!“, „Drei Grad anluven“. Um ihm und mir das in der nächsten Stunde zu ersparen, stelle ich den Autopilot auf Windsteuerung, und siehe da, der Genaker steht hervorragend ruhig und aus der Kabine kommen auch keine Kommentare mehr. Man muss nur ab und zu aufpassen, dass der Kurs-über-Grund nicht zu weit verändert wird, dann fährt man mit der Windsteuerung auf langen Strecken einfach perfekt.

Unbekannte Wesen?

Es ist leicht bewölkt, aber der Wind scheint sich bei ca. zehn Knoten zu stabilisieren, ideale Bedingungen. Ich bereite schon mal alle Geräte darauf vor, möglichst schnell ins hoffentlich starke (Inter-)Netz zu kommen, wenn wir in der Nähe von Sardinien sind, damit wir Mails, SMS und Wetterberichte bekommen, Nachrichten von daheim, und dank der Wetterberichte entscheiden können, ob wir in Carloforte bleiben, weil kein Wind ist, oder ob wir weiter segeln nach Bizerte. Wie es aussieht, ist heute Nacht der Wind günstiger als in den nächsten Tagen, also geht es weiter, und wir verabschieden uns in zwei Stunden wieder aus dem Netz. In Bizerte können wir im extra eingerichteten Besprechungsraum extensiv surfen, dann folgt auch der Rest des Logbuchs.

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