Wir sind los!

Freitag, 28.4.2017, Baro 1016, sonnig, eher kühl, Wind NW 5-6
LGM 08:00

Bei strahlendem Sonnenschein legen wir früh ab, der Wetterbericht ist gut, nordwestlicher Wind, bis heute Abend ausreichend stark. Zuerst ist die See ziemlich kabbelig, und die Hexe schankt ganz schön durch die Gegend, aber als der Wind zunimmt, wird sie stabiler, und wir fliegen mit ständig über 10, oft über 12 Knoten Speed übers Wasser.
Das hätte ich allerdings nicht gedacht, dass wir uns in Faserpelz, dicke Jacken, Segeljacken, warme Unterwäsche und Stiefel einhüllen müssen, Ende April im Mittelmeer, selbst bei achterlichem Wind ist es so kühl, dass man dazu auch noch Handschuhe braucht. Weiße Schaumkronen sind auf dem Meer und bald verlässt uns das Handynetz, deshalb hier der kurze Bericht. Wer will, kann uns ja über Marine Traffic verfolgen, die Hexe unter französischer Flagge.

10:35 wir gehen auf Kurs 144 Grad Richtung Südsardinien, Segelführung: ein Reff im Großsegel, die Genua drei Umdrehungen weggedreht. Der Wind ist genau achterlich, wir probieren die gereffte Genua auszubaumen, mit unserer alten Spischot. Der Hubschrauber der französischen Küstenwache fliegt ganz nah über uns hinweg, der wollte sicher mal schauen, was da für ein schönes Boot unterwegs ist.

12:15: Wir binden ein zweites Reff ins Großsegel, denn der Wind frischt immer weiter auf, die Genua ist auch gerefft, und wir düsen, düsen, düsen im Sauseschritt….

Volker meint, jetzt unbedingt mal den Watt and Sea-Generator ausprobieren zu wollen, dazu muss er ihn aber hinten am Backbordschwimmer befestigen, und wird kräftig geduscht. Es kommen immer wieder mal Wellen über die ersten Stufen der Plattformen.

Der Wind nimmt weiter zu, wir versuchen es mit einem dritten Reff, aber irgendwie sieht der Segelkopf nicht gut aus, und wir befürchten schon, da sei etwas gerissen. Also nehmen wir das Groß ganz herunter, scheitern aber dabei, es auf Vorwindkurs ordentlich einbinden zu können, und gehen gegen den Wind. Hui, jetzt wird es aber nass! Nun merkt man auch erstmal, wie hoch die Wellen sind, wenn ich versuche, die Hexe genau mit der Nase im Wind zu halten, und dabei die Wellen so auszusteuern, dass sie nicht über das ganze Boot brechen. Eine erwischt mich doch, ich schmecke das Salz auf den Lippen, und freue mich schon drauf, es aus denHaaren zu bürsten.

Jetzt, da das Großsegel geborgen ist, können wir sehen, dass alles in Ordnung ist, Glück gehabt, dann können wir ja weiter Richtung Tunesien, statt auf die Küste zu, oder nach Porquerolles! Wir rollen nur die Genua ein Stückchen raus, der Windmesser zeigt über 30 Knoten wahren Wind, so ist es deutlich ruhiger, und Volker bekommt endlich sein wohlverdientes Mittagessen. Vorher muss noch das Boot geputzt werden! “Die ist ja völlig versalzen”, klagt der Skipper, greift kurzerhand zum Schlauch und spritzt das Boot beim Segeln ab. Gut, dass wir gerade den Watermaker angestellt hatten, das ist ja Luxus!

Während wir noch so fröhlich vor uns hin wischen, kommen Delfine und spielen um den Bug, diesmal sind es ganz kleine, sie springen in den Wellen und tanzen um das Boot, dass es wieder die reine Freude ist. Volker spritzt ein wenig Süßwasser auf sie, das scheint sie aber nicht weiter zu beeindrucken.

18:00 42.29.515 N 005.21.315 O, Baro 1012, Wind 28-30 Knoten NW, sonnig, Wellen geschätzt 3-4 m hoch. Wenn diese Wellen zwischen den zwei Rümpfen hindurchlaufen, macht das Lärm im Boot, sie heben die Hexe an, und setzen sie wieder ab, im Surf geht das, nur mit der Genua, auf speedige 12 Knoten, um im Wellental auf 6-7 Knoten abzunehmen. Das Gute dabei ist, dass wir trocken im Salon sitzen, und durch die Fenster rundherum dem Spektakel der Wellen zuschauen.

Seit den beiden Frachtern vor Marseille haben wir auch kein Schiff mehr gesichtet, nur im Ais sehe ich die Fähre nach Calvi, die mit nur neun Knoten offensichtlich auch noch einen Umweg fährt, und hinter uns kommt der Frachter “Seaexpress” mit 13 Knoten.

21:00 Volker hat leckere Spaghetti Bolognese gekocht, wir essen ganz gesittet am Tisch, nur mit Antirutsch-Untersetzern für Töpfe und Teller, weil die Wellen immer mal ganz unvorherzusehende Schiffsbewegungen auslösen.

22:45 Ich lege mich für eine Weile zum Schlafen in die Kajüte, nicht ohne vorher die Anzeigegeräte auf Nachtmodus umzustellen, und für Volker eine Folge von “Auf Achse” in den DVD-Player einzulegen. Auch in unserer Kabine habe ich ein Tochterinstrument, das stelle ich auf den “Rot-Schwarz-Modus” um, sieht gut aus und blendet gar nicht beim Schlafen, man kann aber – in einer kurzen Wachpause – geschwind mal draufschauen, ob alles in Ordnung ist.

01:45 Ich wache von einem durchdringendem Gepiepe auf, springe aus dem Bett, laufe zu Volker in den Salon, die Bilgenpumpe im Steuerbordmotorraum ist angesprungen. Das mögen wir aber gar nicht! Die Wellen sind nicht mehr ganz so hoch wie vorhin, als das komplette Cockpit überflutet war von achterlich einsteigendem Meerwasser, also traut sich Volker, den Motorraum zu öffnen, dann ein Schrei: “Beim Ruderlager steht alles voll Wasser, Salzwasser!”

“Nein!”, denke ich, und “Das ist nicht wahr!”, sagt Volker. Mit Küchengeräten wie Kaffeebecher, Tupperkanne und Glas wird geschöpft, so gut es geht, anschließend mit dem geschenktem Zewa in Massen getrocknet, 02:45 ist die Motorbilge soweit trocken, das Vorsegel mal wieder geschiftet, jetzt kann Volker eine Runde schlafen gehen.

Samstag, 29. 4.2017, Baro 1014, sonnig, Wind  NW 12-15 Knoten, abnehmend 4-8, auf See

08:00 Die Motorbilge steuerbord wird zum zweiten Mal gelenzt, Volker holt einen großen Eimer voll Seewasser heraus und macht mit Zewa alles trocken. Die achterlich anlaufenden Wellen lecken schon mal an der zweiten Stufe, aber höher kommen sie jetzt glücklicherweise nicht mehr.

08:20 Das Großsegel wird im zweiten Reff gesetzt, mit der beinahe vollständig ausgerollten Genua segelt die Hexe ruhig und stetig dahin. nach dem Frühstück reffen wir komplett aus, leider ist der Wind jetzt nur noch schwach und wir motoren ein bisschen, und ein bisschen mehr. Der Skipper geht schlafen, und ich stelle plötzlich fest, dass der Steuerbordmotor die Batterien nicht lädt, deshalb war auch die Dusche nur lauwarm!

Mit Trial and Error finden wir heraus, dass beide Motoren die Bordbatterien nicht laden. Jetzt geht die Sucherei los: Welches Gerät ist genau dafür zuständig? Kann ich über den PC-Anschluss im Mastervolt-System den Fehler erkennen? Wir wälzen Handbücher, versuchen es am PC, am Shunt, endlich finde ich eine Fehlermeldung am Mastercharger, aber leider nicht den entsprechenden Fehlercode, und eigentlich sind wir mit der ganzen Fragestellung überfordert. Volker meint, wir könnten doch einfach mal die Batterien abklemmen, vorher den Watt and Sea und die Solarpanele ausschalten und dann mal sehen, was passiert. Ich bin ein bisschen skeptisch, weil ich mir sofort vorstelle, dass wir ohne Bordstrom die ganze Nacht von Hand steuern müssten, und das draußen, dabei ist es gestern Nacht doch empfindlich kalt gewesen, und. Ich war froh, dass der Autopilot brav seinen Dienst getan hat, während ich nur alle  10-12 Minuten mal einen Rundumblick in die sternenklare, aber sehr einsame Nacht geworfen habe.

20:00 Uhr, das Barometer ist leicht gefallen auf 1012, auch der Sonnenuntergang ist nicht so klar wie gestern, vielleicht bekommen wir morgen schlechtes Wetter, ich bin eher für “hoffentlich nicht”. Wir können segeln, es sind 8-9 Knoten Wind, der Genaker steht, passend für die Küste in den italienischen Farben.

Es ist kein schlechtes Wetter gekommen, aber leider hat der Wind ab 21 Uhr mal wieder abgenommen, und wir sind durch die Nacht motort. Zum Abendessen gab es die Reste von gestern, bei Spaghetti Bolognese kocht Volker immer Portionen für vier gute Esser, oder für zwei Tage. Danach wieder abwechselnd Wachen, ohne feindliche Boote, ein einsames Stück Mittelmeer. Nur die Tierwelt kommt uns besuchen, wie der Skipper im Blogbeitrag “Eine Schwalbe” so schön beschrieben hat.

Sonntag, 30. April 2017, Baro 1014, sonnig, Wind NW zwischen 6 und 12 Knoten, auf See

Bei Sonnenaufgang ist schon Land zu sehen, die südlichen Zipfel von Sardinien grüßen den Morgen.  Begonnen haben wir den Tag mit der Suche nach dem Fehler, warum die Batterie von den Motoren nicht geladen wird. Schließlich waren sie die ganze Nacht an, und trotzdem lädt nur der Watt and Sea. ich hole alle Handbücher heraus, die irgendwie etwas mit dem Ladegerät zu tun haben, versuche zu verstehen, wovon die reden, das klappt auch nach ein bisschen Einlesens, Volker probiert es mehr mit der angewandten Technik. Durch gemeinsame Überlegungen finden wir in den Handbüchern des Mastervoltsystems einen Hinweis, dass der Fehler auftreten kann, wenn die Konfiguration des Chargemaster im Bussystem nicht gesperrt ist. Gut, das ist einfach, ich klinke meinen PC am Kartentisch in das Bussystem ein, und sperre die Konfiguration. Perfekt! Die Batterien zeigen eine Ladespannung von über 25 Ampere an! Da fällt uns jetzt aber ein Stein vom Herzen, gut dass er nicht real war, der hätte glatt den Rumpf des Bootes durchschlagen. Das bedeutet nämlich, dass wir weiter segeln können nach Tunesien, und nicht hier in S. Pietro in die Marina bleiben, oder gar zurück nach LGM segeln müssen!

Später segeln  wir durch den Canale di San Pietro, bezaubernd, ich glaube, wir müssen noch einmal hierher zurückkommen. Unter Genaker geht es aus der Straße des heiligen Peters raus, Kurs 142 Grad Richtung Tunesien. Es ist strahlender Sonnenschein, zum Feierabend kommen uns auch wieder die Delphine besuchen.

Der Tag war wunderschön, das Segeln hervorragend, Wind immer so um 10 Knoten von raumschots, das Meer flach, Frühstück mit Rührei im Cockpit, Abendessen mit gegrillter Entenbrust und Cevapcici sowie Caprese ebenfalls im Cockpit, aber die Nacht wird aufregend!

Im AIS sieht man schon am Abend so viele Boote, an bestimmten Stellen bilden sich richtige Straßen, das wird nicht so eine gemütliche Nacht wie die letzte! Immer wieder piept der Alarm, dass sich ein feindliches Boot in drei Meilen Entfernung befindet. Und einmal kommt uns die Puffy so nahe, dass ich Volker aus dem Schlaf klopfe, weil ich uns schon komplett von ihr untergetaucht sehe, Schreck lass nach. Wieso die plötzlich so nah war, obwohl sie uns in 500 Meter Entfernung passieren sollte, weiß ich im Nachhinein auch nicht mehr zu sagen, aber das war Adrenalin pur.

Montag, 1. Mai 2017, Baro 1015, sonnig, Wind N 6-10 Knoten, auf See

Afrika, da vorne ist wirklich der afrikanische Kontinent! Jahrelang haben wir unseren Kindern, wenn sie uns gefragt haben, wohin wir denn heute segeln, gesagt: „Nach Afrika“. Und wie lange wir wohl brauchen? „Stiebie Stundie“, was soviel hieß wie „Keine Ahnung, wenn wir da sind, wissen wir’s“. Und genauso sind wir jetzt nach Afrika gesegelt, wir wussten ja vorher auch nicht, wie lange wir wohl brauchen würden. Um 10:00 Uhr machen wir die Leinen fest in Bizerte, der freundliche Hafenmeister empfängt uns mit drei Jungs.

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