Wackelt Volkers Stuhl?

Dienstag, 3. Juni 2025, auf See
Baro 1014 (!), bedeckt, regnerisch, kühl, Wind WSW 15-20 kn, die See 2-3 m
Etmal 167 sm

In der Nacht ist das Tief durch gelaufen, das über Island wütet, wir waren gerüstet mit zwei Reffs im Großsegel, und vier in der Genua. Das haben wir noch vor der Nacht gemacht, so hatten wir keinen Stress in der Dunkelheit. Tatsächlich gab es in der Nacht Böen bis gut 30 Knoten, und wir kamen flott voran. Dank der moderaten Besegelung waren auch die Bootsbewegungen nicht unangenehm, trotz der hohem Wellen, die durchgegangen sind. Es war also alles viel entspannter, als ich befürchtet habe.

Böen über Island

Das Barometer ist von gestern auf heute Moren um 10 Striche gefallen, daran kann man deutlich sehen, dass das Tiefdruckgebiet über uns gekommen ist. Es ist auch jetzt noch viel Wind, um 20 Knoten, aber der Windeinfallswinkel hat sich gebessert und wir fahren mit 8-9 Knoten auf Ouessant zu, zum Eingang des English Channel. Nur die Wellen sorgen für unvorhersehbare Schiffsbewegungen, sie sind hoch, klar bei den Winden, plus die Dünung des Ozeans, insgesamt sicher bis drei Meter, es wackelt. Gut, dass wir beide nicht seekrank werden.

Noch vor dem Eingang zum Kanal, bei dem erstenVerkehrstrennungsgebiet ist es mit den entspannten Nächten sowieso vorbei. An dem Bild von Marine Traffic kann man erkennen, was dort für ein Verkehr herrscht. Die Verkehrstrennungsgebiete müssen beachtet werden, ebenso die zahlreichen Sperrgebiete, z.B. Windkraftanlagen und Fischfarmen, und nebenbei gibt es auch einige Fischer, die ohne AIS arbeiten, damit ihre Jagdgründe geheim bleiben. Und dann gibt es noch eine Warnung vor Booten mit Flüchtlingen, die – natürlich – kein AIS bei sich haben, und versuchen, von Nordwest Frankreich nach Süd England überzusetzen.

Aber noch sind wir auf hoher See, vertreiben uns die Zeit mit der Analyse von Wetterbeichten und der dazugehörigen Routenplanung. Wann setzen wir wieder den Code Zero, oder ist doch der Gennaker das Segel der Wahl? Oder frischt der Wind gleich wieder auf? Ab und zu hält einer von uns ein Nickerchen, Vorschlafen für die Nacht!

Am Nachmittag hat sich eine ordentliche Welle aufgebaut, die Wogen rollen, bestimmt vier Meter hoch, von der Seite her an, heben das Boot an und dann kommt die Talfahrt, hui! Natürlich ist das mit den Bootsbewegungen eines Einrumpfers nicht zu vergleichen, aber es stellt doch schon hohe Anforderungen an mein Gleichgewichtsgefühl beim Gehen. Vor allem, wenn man irgendwelche Gegenstände in den Händen hat und sich nicht sofort abstützen kann. Inzwischen – es ist 21 Uhr – ist die Wellenhöhe deutlich zurück gegangen, das macht die Bewegungen an Bord viel leichter.

Ich hatte mich am Nachmittag gerade zu einem kleinen Schläfchen hin gelegt, da höre ich erst ein kleines Peng, aber Volker sitzt am Kartentisch und sagt, es sei alles in Ordnung. Ich mache die Augen wieder zu, da ertönt ein richtig lauter Knall und Volker liegt auf dem Rücken am Boden. Was ist passiert? Am Kartentisch haben wir einen schwenkbaren Bürostuhl, dessen Schwenkarm an einer Säule befestigt ist, die wiederum sowohl an einer Metallplatte im Boden als auch an der Tischplatte fet gemacht ist. Nun hat aber offensichtlich an dem Metallstift, der in die Tischplatte ragt, die Schweißnaht nicht gehalten, und der Stuhl ist, samt Volker, einfach umgefallen.

Ich bin ja nicht schadenfroh, aber all die Freunde, denen Volker die Geschichte per WhatsApp mitgeteilt hat, haben ihn damit geneckt, dass das ausgerechnet passiert ist, als er dort gesessen hat. Das ist vielleicht fünf Prozent der Zeit, normalerweise sitze dort immer ich. Und er hat doch so viel abgenommen, dass es an seinem Gewicht nun wirklich nicht gelegen haben kann. Da hatte ich wohl Glück gehabt, dass es nicht mir passiert ist.

Was nun? Also, irgendeine Sitzgelegenheit brauchen wir da schon, ich sitze dort den halben Tag zum Navigieren, oder um Logbuch zu schreiben, oder irgendwelchen Bürokram zu erledigen, außerdem natürlich auch beim Essen. Jetzt steht dort unser kleiner faltbarer Strandstuhl. Weil der aber so niedrig ist, dass ich in die Tischkante beißen könnte, haben wir die Sitzfläche mit Polstern und Kissen erhöht, und nun geht es einigermaßen.

Mit Polster und Kissen geht die Sitzhöhe halbwegs

Beim Abendessen jedenfalls hat es geklappt, es gab Kotelett und Lende mit Kartoffelbrei und Karottengemüse.

Diese Nacht wechseln wir uns richtig mit den Wachen ab, hier fahren in einer Stunde mehr Schiffe um uns herum als auf der ganzen Reise bisher.

Dieser Tanker kam uns sehr nah, aber nachdem ich mit ihm gefunkt habe, hat er seinen Kurs geändert
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