Montag, 12. Mai 2025
08:30 Uhr Volker will das Boot vom Salz befreien und geht nach vorne mit dem Schlauch. Ich höre drinnen nur ein leises „Nein“, und weiß, da kommt irgendetwas ganz Schlimmes! Wenn es nur eine kleine Katastrophe ist, schreit er ganz laut und entsetzt „NEIIIIN“, aber diesmal war es wirklich nur ein „Oh nein“.


An dem Metalldraht am „Martingal“ (Volker nennt das so), sind zwei Metallstränge von insgesamt 19 gebrochen. Die Arbeitsweise dieser Verspannung in Verbindung mit dem Draht und der Traverse ist ähnlich der einer Brückenkonstruktion. Der Draht läuft über einen erhöhten Pylon und dieser Pylon drückt durch den Druck und die Spannung des Drahtes die darunter liegende Traverse nach unten. Das wirkt den Zugkräften von Gennaker, Genua und anderen Vorsegeln entgegen. Die Traverse stabilisiert zudem noch die weit entfernten Bugs.

Wie das passieren konnte? Wir wissen es nicht. Klar, gestern gab es Wellen und Wind, aber es waren keine fünf Meter hohen Monsterwellen, und es war nur ein Wind von nicht mehr als sechs Beaufort. Und wir waren im 2. Reff im Großsegel, und die Genua im 3. Das Boot ging hoch und runter, ist aber in kein Wellental gekracht. Eventuell kann man von einem Materialversagen des Drahtes sprechen.
Egal wie…
Zuerst muss entschieden werden, wo wir jetzt hinfahren, wir sind ja schon weit draußen auf dem Atlantik. Denn dass wir mit dem Schaden am Draht unsere Reise wie geplant fortsetzen können, daran ist gar kein Gedanke zu verschwenden. Zuerst muss das repariert werden, das steht fest. Fahren wir nach Lagos an der portugiesischen Algarve oder zurück nach Lanzarote? Beide Strecken sind fast gleich lang. Oder vielleicht doch nur bis Madeira? Madeira und Lanzarote haben den Vorteil, dass wir mit achterlichem Wind fahren, das bringt weniger Druck auf die Struktur als ein Halbwindkurs Richtung Lagos. Obwohl das natürlich gut wäre, es ist nicht so weit von Outremer entfernt, sodass benötigte Ersatzteile einfacher geliefert werden könnten. Und es wäre kein Zurück, nur ein „Anderswohin“.
Inzwischen sind wir aber doch zurück auf dem Weg nach Madeira, wir haben den Mast mit Fallen nach Backbord und nach Steuerbord verspannt, und nun motorsegeln wir mit dem Großsegel bei achterlichem Wind vorsichtig wieder nach Süden. Welche Marina es wird, Calheta oder wieder Quinta do Lorde, wird sich in der nächsten Stunde herausstellen, Freund Uli kennt einen Mechaniker auf Madeira, der sich unseres Sorgenkindes annehmen will.
Nun hatte ich bis heute morgen gedacht, „Jetzt haben wir den ersten und anstrengendsten Teil unserer Reise hinter uns, jetzt kommt die Kür.“ Die Nacht war gut, wir sind schön gesegelt, und nun wird paar Stunden mit Motor gefahren, dann geht es ganz wunderbar mit halbem Wind auf A Coruña zu. Wir haben schon gemutmaßt, ob es vielleicht doch gleich weitergehen könnte, Richtung Concarneau. Nee, das waren nur Schimären!
Jetzt fahren wir nach Calheta, dort konnte ich einen Platz reservieren, Miguel wird kommen, und Wes und hoffentlich auch die fehlenden Teile von Outremer. Madeira ist ja schön, aber ewig wollen wir auch nicht dort bleiben. Mal sehen, was die Tage so bringen!
Also liebe Hexenblogfans, drückt bitte ganz fest die Daumen, dass jemand den passenden Draht, die passenden Walzterminals und eine starke hydraulische Pressmaschine auf Madeira hat, ansonsten haben wir ein echtes Problem.