Samstag, 26. Mai 2018, 2. Teil
Dieser vierte Tag unserer Überfahrt war für mich der entspannteste und angenehmste. Obwohl ich in der Nacht nicht so gut geschlafen hatte wie in der Nacht zuvor, fühlte ich mich ausgeruht und freute mich auf diesen letzten Tag auf dem Atlantik. Nachdem ich Volker um 03:15 abgelöst hatte, konnte auch er sich noch eine richtige Mütze voll Schlaf holen und war ebenfalls am Morgen en pleine forme und gut gelaunt. Wir hatten ein gemütliches Frühstück im Cockpit mit ordentlichem Kaffee und Spiegelei, die Kommunikation über emails und gribfiles für Wetterberichte mit dem Pactor-Modem war tadellos und schnell, es gab Wind zum Segeln und ein glattes Meer, dann sogar noch Reste von der gestrigen Lasagne zum Lunch, Mensch, was willst Du mehr?
Am späten Nachmittag tranken wir wie jeden Tag unser alkoholfreies Bier in der Abendsonne, entspannt natürlich. Aber nicht lange! Denn da begann der Albtraum.
Plötzlich ruft Volker von innen mir zu: “Was machst Du denn? Warum fährst Du so ‘n Scheiß?” Ich bin mir keiner Schuld bewusst, ich hatte lediglich an Deck gesessen und verträumt ins blaue blaue Meer gestarrt, aber jetzt merke auch ich, dass das Boot komplett vom Kurs abgewichen ist und sich völlig unkontrolliert dreht. Da hat sich wohl der Autopilot ausgeschaltet. Volker steht am Steuerrad und will die Hexe zurück auf Kurs bringen, aber nix geht! Das Rad hat keine Steuerungswirkung mehr! Mittels Autopilot bringen wir das Boot auf Seinen richtigen Kurs zurück, ehe es vor den uns entgegen kommenden Frachter läuft. Nochmal gut gegangen.
Die Pinnensteuerung funktioniert, also scheint hier etwas ausgekuppelt zu sein. Merkwürdig ist nur, dass keiner von uns überhaupt dran war. Alle weiteren Berichte hierüber kommen morgen vom Skipper selbst. Und es war dramatisch und furchtbar.
Aber kaum hatten wir diese Phase überstanden, zeichnete sich ein neues Problem ab. Wir waren unterwegs an der marokkanischen Küste, eigentlich weit genug entfernt vom Land. Volker war noch in der Motorbilge beschäftigt, da war ich schon die ganze Zeit nervös mit den gerade noch sichtbaren Bojen, die irgendwelche Fischernetze ankündigten. Unter Motor versuchte ich im letzten Sonnenlicht, ihnen auszuweichen. Es wurde immer dunkler, und immer weiter mehrten sich diese furchtbaren Bojen. Mal blinkten sie rot und weiß, mal rot und blau, aber immer lagen sie mitten in unserem Weg. „Was tun wir denn jetzt?“, war die bange Frage, denn es macht keinen Spaß, mit 6 – 8 Knoten Fahrt in eine Fischerleine rein zu rauschen. Wir sind ausgewichen, nach Nord, nach Süd, solange, wie uns das kleine Fischerboot, das dann immer mit uns fuhr, es für nötig hielt, damit deren Netze nicht beschädigt wurden. Und das in der Nacht, ohne Sicht, wir wollten nur noch weg, am liebsten raus aufs Meer, wo man nicht mit so ‘nem Blödsinn zu kämpfen hat.
Dieses Spiel haben wir über Stunden gespielt, und es hat uns ungefähr 25 Meilen gekostet, bis fast in das Verkehrstrennungsgebiet hinein, Treibnetze überall, bis wir endlich in der Straße von Gibraltar waren. Es war eine Horror-Nacht, wie wir sie noch nie erlebt hatten, und auch nicht wieder erleben möchten. Das Segeln war gut, und hat uns viel Spaß gemacht, aber wir würden nie mehr so nah an die marokkanische Küste vor Gibraltar gehen!
Morgen kommen sicher noch ein paar intelligente Analysen, aber das war es erst einmal für jetzt, wir sind gut in La Linea, direkt neben Gibraltar angekomme, haben am Nachmittag ausgeschlafen und waren mit Harald und Sohn Julian unterwegs in Gibraltar und La Linea. Morgen gibt es auch mehr hierüber, total gut und spannend, gute Nacht!