Flügel gestutzt

Mit versteinerten Gesichtszügen schauen die Gäste im Aidan’s Pub auf die Bilder und Filme, die uns aus Florida erreichen, als der Hurrikan Ian mit zerstörerischer Windkraft und haushohen Sturmfluten durchzieht. Das Unfassbare flimmert in quälend langen Sequenzen über den Bildschirm. Mit voller Wucht wurde eine Region Amerikas von Naturgewalten getroffen, deren facettenreiche Schönheit wir kennenlernen und erleben durften. Es sind Bilder, die uns erschüttern, die uns bis ins Mark treffen. Viele dieser ehemals wunderbaren Häuser im viktorianischen Baustil, schmucke Schiffe aller Art, oder modernste Hafenanlagen, sind entweder komplett zerstört oder geflutet, häufig unwiederbringlich. Man denkt an die Menschen, die diesem Naturmonster zum Opfer gefallen sind und hofft auf die Stimme eines Kommentators, der sagt, dass das nur ein Blockbuster-Katastrophenfilm war und dass jetzt das Programm mit dem Wetterbericht für die Region weitergeht.

Uns berühren die Berichte sehr, wir wissen von Freunden, die ihre Schiffe in der Zugbahn des Hurrikans an Land stehen haben und hoffen inständig, dass sie ihren geliebten segelnden Untersatz unbeschadet wiederfinden.

Uns haben Hurrikan Fiona und Hurrikan Ian den Mut geraubt, bald in Richtung Süden weiter zu segeln, zu groß ist unsere Angst, dass sich uns ein Hurrikan auf der Strecke dahin in den Weg stellt. Wir treten seglerisch auf die Bremse und stellen unsere ehemals ambitionierten Reisepläne ein Stück weit hintenan. Wir wollen auf keinen Fall in die südlicher gelegenen Zugbahnen dieser tropischen Wirbelstürme geraten. Das ist jetzt entschieden und ob wir es bis kurz vor der Winterpause bis zu den Bermudas oder gar bis in die Karibik schaffen, ist sogar schon dritt- statt zweitrangig. Wie bisher in unserer gemeinsamen Vergangenheit arrangieren wir uns mit dem nicht zu Änderndem und machen das Beste draus, im Moment sind wir sogar eher demütig und dankbar, dass wir von solch schlimmen Naturkatastrophen hier in unserem nördlichen Mauseloch verschont geblieben sind.

Mühevoll ist die Arbeit an den Silikonfugen

Die Arbeiten an Bord gehen weiter, das Cockpit und der gesamte Aufbau rund ums Bimini, haben nun strahlend weiße Silikonfugen. Jetzt fehlen nur noch gut 40 Meter Silikonfugen im Rumpf-Deck-Übergang und auf beiden Innenseiten im Bugbereich. Beide Rümpfe sind von mir in einer Tagesaktion händisch poliert und gewachst worden, der freundliche Hafenmeister war von soviel Elan so begeistert, dass er kein Liegegeld wollte und nur meinte, ich solle mir die Zeit nehmen, die ich bräuchte. Jetzt glänzt die Außenseite der Hexe wieder wie vor unserer atlantischen Überfahrt. 

Auch der defekte Deckel am Stauraum muss ausgetauscht werden

Die Aktion ging diesmal – oh Wunder – sogar schmerzfrei über die Bühne, keine Verspannungen in den Schultern, keine schmerzenden Arme und das, obwohl man(n) nicht jünger wird 😉

Anderes Thema, im Rennsport spricht man von Materialpech, wenn ein Wettkampf nicht gelingt und der Sportler davon nicht verschont wurde. Auch wir wurden mal wieder vom Materialpech eingeholt. 

Der MPPT-Controller für die mobile Solaranlage hat seinen Geist aufgegeben. Plötzlich und unvermittelt, gestern ging er noch, heute blinkt eine nicht behebbare Fehlermeldung. Ein neuer Laderegler ist bestellt. 

Die Innenverkleidung muss runter

Gestern beim Starkregen, tropfte es dann aus einer Decksluke, nach dem Entfernen der Innenverkleidung war klar, dass das Silikon undicht geworden ist, so geht uns wenigstens nie die Arbeit an Bord aus. 

Glück hatten wir dagegen mit der Polizei, in einer kleinen Anliegerstraße mit einer Geschwindigkeitsbeschränkung von ca 20 km/h, war ich so auf das langsame Fahren und den hinterm Baum stehenden Polizisten mit Radarpistole fixiert, dass ich eins der Stoppschilder übersehen haben muss. Diese Stoppschilder gibt es hier an so gut wie jeder Kreuzung, wo in Europa rechts vor links gilt. Auf jeden Fall hatten wir kurz darauf das Auto des Sheriffs mit blinkendem Blau und Rotlicht hinter uns. Glücklicherweise kam ich trotz fehlenden Führerscheins und Personalausweises, jedoch mit vielfacher Entschuldigung, mit einer Verwarnung davon. Ich sah mich schon mit Handschellen abgeführt, Cornelia fand den Gedanken amüsant und war gut unterhalten…

Nach dem Schrecken mit dem – schlussendlich sehr freundlichen, aber zunächst eher strengen Polizisten wurden wir belohnt. Auf einer Wiese trifft sich bei schönem Wetter eine Reihe stolzer Besitzer von Oldtimern, stellen sie zur Schau, und man kann sich einfach an den schönen Autos erfreuen.

Glück haben wir auch mit unseren ankernden Segelnachbarn. Schon ein Weile beobachtete ich eine Dreiergruppe von kanadischen Segelbooten, die anscheinend auch in Richtung Süden unterwegs sind. Wir sind uns schon auf mehreren Segelabschnitten begegnet, haben in Newport dicht bei dicht geankert und nun ankern wir seit fast zwei Wochen nebeneinander. 

In fröhlicher Runde

Vor ein paar Tagen hat irgend jemand den ersten Schritt gewagt, man kam ins Gespräch, man fand sich sympathisch. Seitdem treffen wir uns fast täglich in fröhlicher Runde, zum Essen, Trinken und Erzählen, auf wechselnden Booten, wir haben neue Segelfreunde, wie schön.

Gerade jetzt kachelt es mal wieder, ein durchziehender Sturm hält uns vom geplanten Landausflug ab. Böen bis 37 Knoten orgeln durchs Rigg und der Kat tanzt von einer Seite zur nächsten, um seine Ankerkette. Die Heizung brummt, mit 13 Grad am Tage und 7 Grad in der Nacht kann man wahrlich nicht von dem viel gepriesenem amerikanischen „Indian Summer“ sprechen.

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