Wenn wir in Darmstadt sind, gehe ich jeden Morgen mit Samy über die Mathildenhöhe. Je nach Jahreszeit und Wetterlage zeigt sie sich in gänzlich unterschiedlichem Licht, das ist sehr spannend. Waren es im Sommer bereits vor acht Uhr kräftige Farben, die das Bild ausmachten, so sind es momentan eher Schwarzweiß-Bilder, die ich zu sehen bekomme. Der Hochzeitsturm verschwindet im morgendlichen Dunst, die goldenen Kuppeln der russischen Kirche schimmern nur noch verhalten. Dazu ist es still hier oben. Zwar dringt aus der Stadt und den Einfallstraßen ein gleichmäßiges Verkehrsbrummen, aber hier oben gehen nur ein paar einzelne Menschen mit ihren Hunden spazieren.
Im Sommer ist das anders, da gibt es auch schon frühe Touristen, die, mit Handys oder Fotoapparaten bewaffnet, wild in der Gegend herum knipsen. Im Winter sind die Steinfigurinen im Platanenhain in schmucklosen Holzkisten verpackt, damit der Frost ihnen nichts anhaben kann. Der vom Sommer ausgedörrte Rasen wird langsam wieder grün. Noch einen Unterschied gibt es: Im Winter bleiben die Wiesen auch am Samstag und Sonntag sauber, während dort im Sommer unzählige Flaschen und Dosen von den abendlichen Feierstunden Darmstädter Jugendlicher liegen bleiben, schade, dass sie dafür kein Gefühl haben, und ihren Dreck noch abends nicht aufräumen. So machen es die städtischen Angestellten, die schon früh morgens hier sauber machen, sehr löblich. Aber die Mathildenhöhe möchte ja auch Weltkulturerbe werden, da muss sie sich schon ordentlich präsentieren.
Mir gefällt mein Morgenspaziergang, der freie Blick bis hin zum Odenwald und auf der anderen Seite in die Rhein-Main-Ebene tut gut, und ich bin gerüstet für den Tag.