Was für ein schöner Ankerplatz, eingerahmt von zwei Inseln, nach Osten geschützt durch die Küste und die Bucht von Cannes. Nur wenn es heftig aus Südwest weht, wollen wir dort nicht sein. Keine schützende Küste gebietet dann den Wellen und dem Wind Einhalt. Aber mühselig, jetzt im mediterranen Sommer darüber nachzudenken. Unsere Hexe hängt mitsamt ihrer Ankerkette träge über ihrem Anker.
Die Sonne spiegelt sich auf der unbewegten Meeresoberfläche, alles rundherum ist blau, hellblau, leicht azur, dunkelblau bei tieferem Wasser. Nur der sandige Ankergrund und die Sonne bieten eine farbliche Abwechslung ins Gelbe. Kein Windhauch bewegt die Wasseroberfläche. Manchmal dringt das Stimmengewirr der Besatzungen von anderen ankernden Schiffen zu uns und ganz selten ist ein Bootsmotor von weit entfernt vorbeifahrenden Schiffen zu hören. So eine himmlische Ruhe gibt es, nur ca. 10 Minuten von dem quirligen Cannes entfernt, unglaublich. Daran haben auch die letzten 30 Jahre nichts geändert, der gleiche Ankerplatz, die gleiche Kulisse, die gleiche Ruhe. Es gibt sie noch, Gottseidank, diese magischen Plätze, wo die Zeit anscheinend stehen geblieben ist. Man wandelt auf dem einen oder anderen Pfad der späten Jugend und ist im Hier und Jetzt zugleich, alles wohlvertraut und bekannt.
Kulissenwechsel
Während ich diesen Bericht schreibe, trommelt der Regen auf unser Dachfenster, nicht auf die Luke. Es ist 13 Grad kalt, draußen. Im Heizungskeller verrichtet die Gasheizung ihren Dienst, gut so. Denn wir sind seit ein paar Tagen im noch recht kühlen Darmstadt. Der Anlass: Larissa wird 20, das muss gefeiert werden. Ist es doch für sie der Start in ein neues Lebensjahrzehnt, das kommt nicht so oft vor. Aber auch für mich, bzw. uns ist es ein guter Zeitpunkt, einmal die letzten 20 Jahre Revue passieren zu lassen. Und so reden wir über ihre Geburt, ihren ersten Schultag, das erste Voltigiertraining und über viele andere (gemeinsame) Erlebnisse.
Die Hexe liegt währenddessen hoffentlich wohlbehalten im gut geschützten und gesicherten Hafen von Cannes. Aber auch fernab vom Schiff stehen mal wieder Unterhalts-, bzw. Reparaturarbeiten an. Im März ging der Reißverschluss der Vorsegelpersenning kaputt. Die Notreparatur hat nicht wirklich gut gehalten, der Reissverschluss lässt sich nicht mehr einfädeln. 18 Meter Reißverschluss müssen ausgetauscht werden. Das bedeutet, eine endlos lange Naht aufzutrennen und Garnreste zu zupfen, ein Geduldsspiel.
Doch jetzt ist die Segelpersenning klar, um morgen vom Fachmann, oder besser der Fachfrau, einen brandneuen und hoffentlich stabileren Reißverschluss eingenäht zu bekommen. Wir haben gemeinsam ein wetterfestes Kunststoffmodell mit großer Widerstandskraft und UV-Stabilität ausgesucht. Wenn alle vollmundigen Werbeversprechen des bekannten Herstellers zutreffen, geht zumindest an dem Reißverschluss nie wieder etwas kaputt.
In ein paar Tagen geht es dann wieder ab in den Süden, der Sonne hinterher. Verdrehte Welt, sind wir hier, sehnen wir uns nach dem Schiff. Sind wir auf unserer Hexe, vermissen wir unsere Familie und unsere Freunde. Man kann leider nicht alles haben und auch nicht alles unter einen Hut bringen. Ist halt so!