So, wir sind weitergefahren, nachdem wir um 13:30 Uhr den ersten zaghaften Netzempfang hatten, haben wir uns die diversen Wetterberichte geholt. Für die nächsten Tage sah es auch nicht besser aus als für heute Nacht, also sind wir wieder durch den Canale di San Pietro gesegelt und motort, haben Ort und Marina Carloforte rechts liegen lassen, ein junger Mann in einem Rib kam zu uns und fragte, ob wir einen Liegeplatz in der Marina brauchen, „grazie, oggi no“, und dann ging es weiter Kurs 142° hundertzwanzig Meilen Richtung Afrika.
18:00 Uhr sind wir zwischen der Kuh- und der Stierinsel, die vor dem sardischen Südzipfel liegen, hindurchgesegelt, und dabei zweimal ganz kurz einen kleinen Wal gesehen, der sich leider aber direkt wieder verabschiedet hat. Abendessen gab es heute für uns beide, Spaghetti bolognese am Cockpittisch
03:15 Der Mond ist aufgegangen. Im Canale di Sardegna ist deutlich mehr los als auf dem Weg hierher. Frachter, eine Fähre, viele Fischer, man muss ganz schön aufpassen, denn nicht alle haben AIS, und gerade die Fischerboote sind eine Herausforderung, weil man nie genau weiß, in welche Richtung die als nächstes Fahren auf der Jagd nach ihrer silbernen Beute. Und was für wohlklingende Namen die großen Tanker und kleineren Fischer haben: „Andrea Doria II“ (ein Fischer!), „Daniele M.“, „MSC Regina“, „Thalassa Patris“, „Ikaria Island“ oder „Blandine“.
Jetzt muss ich auch mal etwas Positives zu unserer neuen Hexe sagen, bei allen Problemchen und großen Problemen, die wir mit ihr haben, ist es mega komfortabel, vor allem weite Strecken mit dem Kat zu fahren. Man kann richtig im Bett schlafen, wenn man müde ist, man kann das Essen zubereiten, ohne sich beständig festhalten zu müssen, und man kann zwischendurch entspannt sitzen und Logbuch schreiben oder Testprüfungen machen oder stricken, oder, oder. Zum Sonnenbaden kann man sich mit der Fernbedienung für den Autopilot vorne ins Netz legen, den Delphinen zuschauen. Und sie segelt gut. Trotz des dicken Bewuchses an unserem Rumpf sind wir bei Windgeschwindigkeiten zwischen 11 und 13 Knoten und einem wahren Windeinfallswinkel von 40-45° mit 6 – 7 Knoten Fahrt unterwegs, wie wird das erst mit dem neuen Antifouling werden?! Gerade so eine Nacht wie heute ist auf einem Kat deutlich entspannter als auf einem Mono. Ich jedenfalls bin sehr froh, dass wir uns entschieden haben, unsere große Reise auf zwei Bootsbeinen zu unternehmen, und erfreue mich jeden Tag an dem wunderschönen neuen Zuhause, dass es für mich auch schon ist. Bei dem Skipper bin ich mir da nicht so sicher, ich glaube, der ist noch skeptisch…
Dienstag, 20. Juni 2017, Baro 1016, sonnig einzelne Wolken, Wind O 3-4, auf See
06:00 Sonnenaufgang, unter Segeln seit 04:00 Uhr (und der Segelwind hält diesmal erstaunlicherweise bis zur Marina Bizerte!).
06:30 der Tanker „Quartz“ fährt eine Meile hinter uns vorbei, der Name war eher außergewöhnlich als wohlklingend. Ich hab ihn auch lieber nicht im VHS gerufen, „Quartz, Quartz for Hexe, Hexe“, wie klingt das denn?
08:25 Uhr, der Frachter „Ozden S“ (auch kein wohllautender Name) wird (nicht nur im AIS) sichtbar und: Land in Sicht! In 225° ist ein höherer Berg schemenhaft zu erkennen, das scheint mir aber in Algerien zu liegen.
10:00 Uhr, jetzt ärgern sie uns aber! Drei Frachter, u.a. „Thalassa Patris“ sind auf Kollisionskurs um uns herum, Volker weicht ihnen aus, denn wir fahren unter Motor. Als diese Kolosse alle vorbei sind, rollen wir die Genua aus und segeln, bis Bizerte durch.
Haben wir uns in den vergangenen Tagen über zu wenig Wind beklagt, wird es jetzt fast ein bisschen zu viel. Unser Windmesser zeigt zwar nur maximal 16 Knoten an, aber wir wissen genau, dass das hier eher 20 – 22 Knoten sind als 14 – 15. Den Windmesser müssen wir genauso mal kalibrieren wie die Logge, nachdem das Unterwasserschiff gemacht ist, denn die zeigt für die in der Routenplanung festgelegten 476 Seemeilen am Ende nur 252,74 Meilen. Das kann ja gar nicht stimmen! Aber wir haben natürlich die Logge auch erst am zweiten Tag wieder in Betrieb genommen, also kann es prinzipiell doch stimmen. Auf jeden Fall werden wir es überprüfen.
Volker steuert mit der Pinne, das ist bei so einem Wind und einem Amwindkurs richtig Arbeit. Nach einem Telefonat mit dem Hafenmeister, Monsieur Chamari ist klar, dass sie uns dort erwarten, wir brauche noch nicht einmal vorher übers VHF zu rufen, sie sehen schon, wenn wir ankommen. Die tunesische Coastguard hat uns über Kanal 16 gerufen, zufällig war ich am Naviplatz, und überprüfe, welches Segelboot sie wohl meint, denn sie ruft nach einem Segelboot auf unserer Position. Also melde ich mich, gebe Bootsnamen, Länge, etc. an, Nationalitäten, und dass die Marina Bizerte uns erwartet.
Tatsächlich steht der Hafenmeister schon am Kai, als wir in den Hafen einfahren und dirigiert uns zu unserem Liegeplatz, wo wir bald gut vertäut fest liegen. Wie gehabt, kommen sofort Zoll und Polizei an Bord, wir füllen die Papiere aus, Volker biete dem Polizisten ein Wasser an, aber der lehnt entrüstet ab: „On est au mois de Ramadan!“, okay, sorry, stimmt ja. Aber am Samstag Abend ist Ramadan vorbei, Sonntag und Montag herrscht hier wohl der Ausnahmezustand. Auch abends sei es voller Menschen in der Stadt, sagt der freundliche Zollbeamte, da ist richtig Fest. Nun, wir sind erst einmal froh, es sicher und gut bis hierher geschafft zu haben, es war eine schöne Überfahrt, mit Wind am Anfang und Ende, und ein bisschen zu viel Motorfahrt, aber insgesamt fanden wir sie sehr harmonisch und wenig anstrengend.
وقت لطيف في تونس!