Nach dem Abendessen wechseln wir uns mit den Wachen ab, weil wir auf diesem Fast-Vorwindkurs, relativ präzise steuern müssen. Zuerst schläft Volker, tief und fest auf dem zum großen Bett bereiteten Sofa, um 23:30 Uhr gehe ich runter ins Bett. Dort wird es allerdings nach Mitternacht immer unruhiger, die Wellen kommen ruppig an den Rümpfen an, und schlagen mit lautem Knall auf, der Watt&Sea-Generator brummt, und der Wind hat deutlich über 20 Knoten aufgefrischt, ab und an kann ich die 27 auf dem kleinen Display in der Kabine sehen. „Volker, wir müssen reffen!“ Der aber meint, wir schauen erst einmal, ob das nur so eine kleine Störung war, die manchmal mit vereinzelten Wolkensystemen daher kommt.
Nach 02:00 Uhr wird es ein bisschen ruhiger und Irgendwann bin ich dann eingeschlafen. Um kurz nach vier weckt Volker mich, und in meinem schlaftrunkenen Kopf habe ich verstanden: „Wir müssen heissen.“ Was soll das denn, Reff ausschütten, oder was? Aber wir haben doch gar kein Reff drinnen!? Erst als ich vor lauter Schreck das Rad viel zu weit gedreht hatte, habe ich verstanden, dass er nur halsen wollte.
Wir wechseln uns noch ein bisschen mit dem Schlafen ab, ich hole Mails und den Wetterbericht auf der Kurzwelle, ab Sonnenaufgang ist das aber leider nicht mehr möglich, dann streiken alle Stationen.
Noch vor dem Frühstück tauschen wir die Dirk aus, die Leine, die den Baum hält, wenn das Segel es nicht tut, im Hafen zum Beispiel oder am Ankerplatz. Volker hatte in der Früh gesehen, dass an ein paar Stellen der Mantel aufgerissen war. Wir haben noch eine alte Leine, die wir anstelle der kaputten durchziehen, sie ist aber leider ein bisschen kurz, deshalb müssen wir sie verlängern. Wir haben Spleißnadeln an Bord, aber die französische Anleitung war so kompliziert und wirr erklärt, dass selbst ich, trotz Engelsgeduld und dem eindeutigen Slogan „wir schaffen das!“ nach zwei Stunden probieren verzweifelt aufgegeben habe. Dann müssen wir das eben anders machen. Oder ich muss mir, wenn wir wieder Internet haben, einen Spleißkurs – vielleicht besser auf Deutsch – suchen.
Den Nachmittag verbringen wir unspektakulär, wieder mit abwechselnden Mittagsschläfchen, lesen, rätseln, duschen (wunderbarI), ab und zu halsen, bis wir uns an die Vorbereitung des extrem leckeren Abendessen machen, ausnahmsweise mal zu zweit, sonst herrscht hier an Bord die Devise: Viele Köche verderben den Brei!. Es gibt Burritos mit Hackfleisch, frischen Tomaten, Salat und Champignons, dazu Guacamole und Zaziki, ein Gedicht.
Morgen früh werden wir wohl hoffentlich vor dem Ankerplatz von Grand Turk ankommen, wir sind jedenfalls sehr gespannt, was uns auf der für uns völlig unbekannten Insel erwartet.
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Da mein Funk gestern Abend gesponnen und den Bericht ums Verplatzen nicht rausgeschickt hat, schreibe ich noch den Beginn von Tag 4 dazu.
Immer schön vor dem Wind kreuzend, mit zahlreichen Halsen, sind wir durch die ansonsten wenig erlebnisreiche Nacht gesegelt. Die Sonne geht gerade auf, als wir auf den letzten Streckenabschnitt zu dem Ankerplatz vor Grand Turk eingebogen sind. Flach, sehr flach liegt die Koralleninsel im Meer; nur helle Lichter, Volker meint, das müssten Lagerhäuser oder Silos sein, haben uns schon in der Nacht den Weg gewiesen. Irgendwie ist der Skipper kein Fan von Grand Turk, jedenfalls behauptet er schon von weitem, dass das „hier alles häßlich ist“. Es ankert auch nicht ein Fahrtensegler dort, nur lokale Fischerboote und ein Ausflugskatamaran liegen fest an den heimischen Bojen.
Nachdem auch in dem Ankergrund sich Sand mit Korallenblöcken abwechselt, verlassen wir diesen Ort und hoffen, dass wir in South Caicos noch rechtzeitig ankommen, um einklarieren zu können, denn ohne Einklarierung dürfen wir nicht von Bord. Natürlich liegt die Einfahrt zu South Caicos auf einem Vorwindkurs, aber die Halsen gehen inzwischen ja locker von der Hand.
Und dann fällt der Anker im schönsten Türkis, das man sich vorstellen kann, vor South Caicos, nach drei Tagen, bis zu Grand Turk waren es exakt 72 Stunden gewesen, nun sind es vier mehr, aber wir sind angekommen!