Auf dem Weg zur 2. Heimat, Tag 1: Rein in die Puschen, raus aus den Puschen

Mittwoch, 17. Mai 2023
Vila do Porto, Santa Maria , 09:30, 760 Seemeilen direkter Weg bis Lanzarote
Baro 1025, bedeckt, Wind im Schatten der Insel 6 kn, die See glatt, später Wind bis 24 Knoten, die See 2 m

Geklebtes Gurtband zur Verstärkung des eingerissenen Großsegels

Wir lösen die Festmacherleinen und  legen ab, setzen Segel, bergen Segel, weil wir eine kleine Reparatur gestern bei den großen Bootsunterhaltsarbeiten vergessen haben. Volker kümmert sich schnell drum, nach zehn Minuten ist alles wieder gut. Das Großsegel kommt wieder hoch, die Genua wird ausgerollt, nur der Wind stellt sich noch dran. Und mein Skipper! Was der immer schimpfen kann: „Guck Dir das an!  Der Wind kommt von hinten! Du hast gesagt, wir haben 130° Windeinfallswinkel!“ „Gleich motoren wir!“, und so weiter. Ich bin ja dafür zuständig, Wetterberichte einzuholen, und dem Skipper zu berichten, aber wenn die Vorhersagen gerade mal nicht eintreffen, dafür bin ich dann wirklich nicht zuständig, auch wenn Volker das gerne so darstellt, als sei es pure Bosheit von meiner Seite. 

Glücklicherweise ändert sich die Situation um 10:30, als wir wirklich aus dem Schatten der Insel heraus sind, der Windeinfallswinkel passt, die Windgeschwindigkeit passt. Um 11:00 kommt Reff 1 in die Genua, wenig später wird das Großsegel verkleinert, es sind bis zu 20 Knoten Wind. 11:30 ist die Genua wieder ausgerefft, Volker denkt schon an den Gennaker. Der muss nämlich auch noch getrocknet werden, von dem letzten Einsatz bei der Fahrt aus der Karibik ist er immer noch nass.

 Nach einer erholsamen Stunde Schlaf für den Skipper geht es gleich wieder los, wir reffen alles aus. Inzwischen war der Wind doch wieder bis 13 Knoten angestiegen, jetzt stehen Groß und Genua in voller Schönheit, und die Geschwindigkeitsanzeige hat die Acht vor dem Komma.

Um 14:30 setzen wir den Gennaker, der macht beim Ausrollen Zicken, d.h. eigentlich nicht der Gennaker, sondern die Furlerleine auf der Rollanlage, der Skipper schickt seine schönsten Flüche übers Meer. Nach einer halben Stunde hat der Wind auf mehr als 17 Knoten aufgefrischt, der Gennaker kommt wieder weg.

Um 16:00 Uhr wird Reff eins ins Großsegel gebunden und die Genua um eine Umdrehung verkleinert. Der Wind bleibt bei 17-20 Knoten mit einem Windwinkel von 120-130 Grad, und die Hexe ist 9-10 Knoten schnell. Um 17:30 kommen noch zwei Umdrehungen in die Genua, wir haben inzwischen 19-20 Knoten Wind, das blöde dabei sind nur die Wellen, die in sehr kurzen Abständen kommen, und jede Bewegung zu einer Herausforderung an die Muskulatur und den Gleichgewichtssinn werden lassen. Kurz nach dem Abendessen um 20:30 wird die Genua bis Reff 2 eingerollt.

Apropos Abendessen: Heute Abend gab es von Volker frisch gemachte Frikadellen aus dem Hackfleisch, das ich gestern bei Pingo Doce gekauft hatte. Mit ebenfalls selbst gemachtem Kartoffelbrei und Rote-Beete-Salat. Und die Hackfleischsoße für die Lasagne Morgen Abend ist auch schon fertig.

21:45, die Windanzeige steigt im scheinbaren Wind auf über 20 Knoten, Zeit, das Großsegel ins zweite Reff zu verkleinern. Nun läuft das Boot etwas ruhiger, die Bewegungen sind nicht ganz so ruppig, so können wir gut in die Nacht fahren. Vorher hatte es auf einmal einen solchen Schlag getan, so laut, das ganze Boot erzitterte. Selbst nach dem Reffen gibt es Wellen, die komplett übergekommen ist. Gut, dass Volker die Polster im Cockpit entfernt hat.

Das Halbtagesetmal um 21:30 zeigte stolze 103 sm an, trotz zweifachen Segelsetzens und dem leichten Wind der ersten Stunden.

Die Nacht ist unruhig, zwischendurch frischt der Wind auch gerne mal über 30 Knoten scheinbaren Winds auf, dann piept unser Windalarm. Beim ersten Gepiepse haben wir das Vorsegel noch ein Stück verkleinert, auf die berühmte Handtuchgröße. Das Boot ist so in Ordnung. Aber die Wellen sind der Hammer! Alle 6,5 Sekunden kommt eine neue, das macht schon den Weg zur Toilette oder zum Kühlschrank zu einem Abenteuer, und beim Kochen muss man unbedingt am Herd stehen bleiben, um auf Töpfe und Pfannen aufzupassen.

Viel geschlafen haben wir nicht in dieser Nacht. Zu laut klingt es im Boot, wenn die Wellen von der Seite anrollen und zwischen den Rümpfen explodieren, da wackelt alles und es klingt wie Donnerschläge. Ruhig zu liegen ist ebenfalls eine schwierige Aufgabe, es ist eher ein Hin-und-her-Rollen.

Da unser Hydrogenerator leider den Geist aufgegeben hat, werden die Batterien in der Nacht nicht geladen, heute Morgen hatten der Autopilot und die Instrumente 82 Ampèrestunden verbraucht,so musste eben mal kurz der Motor mit laden. Wenn es am Tag so bewölkt ist, kommt nicht genug Licht auf die Solarpaneele. Außerdem fahren wir Richtung Süden, da bekommen die fest installierten auf den Davits nicht so viel Sonne ab.

Um 09:30 Uhr lese ich das Etmal für die letzten 24 Stunden ab: 220 Seemeilen, eine reife Leistung für Boot und Mannschaft!

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