Was gestern Abend noch so passiert ist ….
Um 20 Uhr steht wieder die Kurzwellen-Funkrunde mit Bernd von der Hullu Poro an, Rainer und er wollen, wenn die Wettervorhersage stimmt, ebenfalls zu den Azoren aufbrechen, von Bermuda aus. Diesmal ist auch Jan von der Sutje mit von der Partie, aber heute scheinen die Ausbreitungsbedingungen sehr schlecht zu sein, Bernd kann ich fast gar nicht verstehen. Ich höre nur seine Stimme im Rauschen, Jan kommt besser durch, aber auch er ist nicht klar aufzunehmen. Wir verabreden uns für morgen, eine Stunde früher, 23 Uhr UTC.
Ich weiß noch, wie oft ich geflucht habe, weil ich keine Verbindung bekommen habe, doch dringend einen Wetterbericht haben wollte, oder der Download desselben so lange Zeit brauchte, dass entweder, wie bei den Stationen von Winlink, meine Minuten verbraucht waren, oder es über Sailmail so lange währte, dass entweder eine Time-out Meldung kam, oder meine Geduld erschöpft war. Aber eigentlich ist es ein tolles Hobby, wenn man über Funk mit Menschen aus anderen Teilen der Welt kommunizieren kann.
Anschließend nimmt Volker sein Telefon zur Hand, wählt erst Jan, später auch Bernd an, mit glasklaren Verbindungen, dank Starlink. Das Telefonat mit Bernd mussten wir etwas abrupt beenden, der Wind hatte wieder zugenommen. Um 20:45 Uhr haben wir Reff 1 ins Großsegel gebunden.
Tag 5 Sonntag, 30. April 2023
Baro 1016, sonnig mit Wolkenfeldern, Wind ONO 7-10 Knoten
Etmal um 09:20 159 sm, deutlich besser als die letzten beiden Tage
Heute Morgen, auch gestern Abend schon, war es etwas kühler, man kann ein Langarm-Shirt durchaus brauchen.
Um 05:00 übernehme ich die Wache, Volker muss jetzt mal länger als immer nur 15 Minuten schlafen, die Nacht war anstrengend, obwohl wir am späten Abend das Großsegel gerefft hatten. Er musste häufig den Kurs korrigieren, weil der Wind gerne mal ein paar Grad raumte oder wieder weiter von vorne kam. Manchmal frischt es auf, dann muss die Genua ein kleines Stück eingerollt werden und wieder ausgerollt, wenn es wieder weniger wird. Kurzfristig ist der Wind so schwach, dass der Motor mitschieben muss, die leichte Brise kommt genau von vorne. Erst ab ca. 04:00 Uhr ist es beständiger, Volker kehrt zu seinem 15-minütigen Schlafpausen zurück, bis ich ihn um 05:00 Uhr ablöse.
„Wenn die Sonne, bezeichnenderweise im Osten und rot hinter Wolken aufgeht“ (das war ein Zitat aus der „Erschröcklichen Moritat vom Kryptokommunisten“ von Dieter Süverkrüpp, das ich in meiner rebellischen Jugend gerne gehört habe, können die Navigationslichter aus, die kleine Solar-Flammenlampe und die Solar-Powerbank müssen auftanken und werden an die Südostseite des Bootes gestellt, und ich bekomme einen Kaffee.
Als der Skipper erwacht, gegen 07:00 Uhr, wird erst einmal ausgerefft, aber der Motor bleibt an, denn der Wind ist schwach, und wir sollten bis heute Abend 19 Uhr 75 sm geschafft haben. Jetzt kann auch die Heizung ausprobiert werden, falls es auf den Azoren noch richtig kühl ist, müssen wir nicht frieren, denn sie läuft einwandfrei. Bald danach kann der Motor ausgeschaltet werden und wir segeln gemächlich, mit sechs Knoten Fahrt bei sieben bis acht Knoten Wind über das heute flache Meer.
Man soll es ja nicht beschreien, aber heute ist einer der entspanntesten Segeltage überhaupt. Wind zwischen sieben und zehn Knoten, Windeinfallswinkel zwischen 100 und 120 Grad, Sonne, glattes Wasser. Dabei läuft die Hexe mit guten sieben bis acht Knoten Fahrt. Von uns aus könnte das so bleiben bis zu den Azoren. Ich fürchte nur, dass das Wunschträume sind.
Gerade haben wir einen neuen Wetterbericht geholt, es sieht immer noch sehr gut aus für uns, die Winde scheinen uns gewogen, sie sollen uns mit zuweilen bis zu 20 Knoten von achtern anschieben.
Seit über zwei Stunden beobachte ich einen Tanker, der auf Kollisionskurs zu uns von Backbord ankommt. Zwanzig Minuten, bevor wir uns wirklich zu nahe kommen, rufe ich die „Golden Ray“, sie ist auf dem Weg nach Antwerpen, der freundliche Mensch am Funk verspricht sofort, ein Auge auf unsere Route zu haben, und dreht schnell ab, um hinter uns statt vornedran durch zu gehen.
Inzwischen sind wir tatsächlich so schnell geworden, denn seit 15:50 steht der Gennaker und zieht uns bei elf Knoten wahrem Wind mit über acht Knoten Geschwindigkeit übers Meer. So werden wir bis zur Dunkelheit weiter fahren, in der Nacht segeln wir lieber etwas konservativer, denn mit dem großen Segel können wir zwei nicht so schnelle Manöver ausführen.