Tatsächlich haben wir es geschafft: Am Samstag haben wir in Bristol den Anker gelichtet, haben unsere geliebte kleine Stadt verlassen. Mit ein bisschen Wehmut, schon …
Am Freitag hatte uns – also eher mir – Tom, der Theker aus dem Irish Pub „Aidan’s“ in Bristol, in dem wir viele Abende verbracht haben, Clams gebracht, die hiesige Form der Venus-Muscheln, allerdings im Vergleich zu den eher kleinen Muscheln, die wir von den Spaghetti-Soßen bei uns kennen, in gigantischer Größe. Da unsere kanadischen Freunde am Vortag schon Richtung New York aufgebrochen sind, und wir am Abend bei Gif und Chris mit noch einem anderen Ehepaar auf deren Motorboot „Patriot“ eingeladen waren, musste ich mich wohl alleine der 50 Muscheln annehmen.
Auf der Patriot hatten wir einen wunderschönen Abend, mit leckerem Salat und Bolognese-Nudeln, Wein und Bier flossen sozusagen in Strömen. Volker und ich waren vernünftig und haben uns um zehn Uhr verabschiedet, weil wir doch am nächsten Tag früh aufstehen wollten. Die vier Freunde aber haben noch bis drei Uhr weiter gefeiert …
Kaum hatten wir also abgelegt, früh, kurz nach Sonnenaufgang und bei leider bewölktem Himmel, wurde der Sack mit den Muscheln von der Badeplattform in die Küche gebracht, nachdem ich bereits die Ingredienzien für zwei verschiedene Soßen geschnippelt hatte. Es handelte sich einmal um die klassische Soße mit Weißwein, Zwiebeln und englischem Sellerie für einen Clamchowder, eine hiesige Spezialität, die anschließend noch mit einer nicht unerheblichen Menge Sahne zur dickflüssigen Suppe aufgekocht wird. Die zweite mediterrane eine eher schärfere Variante mit demselben Gemüse, aber auch ordentlich Knoblauch und Tomatenmark, hervorragend geeignet als Spaghettisoße.
Während ich in der Küche also die Wohlgerüche des Meeres genoss, stand Volker, dick eingehüllt am Rad und schimpfte nicht nur über den ständig wechselnden Wind – Genua wegrollen, Motor an – Motor aus, Genua ausrollen – sondern auch über die Geschwindigkeit unseres sonst so schnellen Bootes. Wir hatten so viele Muscheln unter dem Rumpf und am Ruder, dass eine Najad, ein kleineres Einrumpferboot ohne Mühe mit uns mithalten konnte.
Auf Block Island, unserem Ziel, so hatte man uns versichert, sei die Bucht so klar, der Ankergrund Sand, also könne man da ohne Schwierigkeiten das Boot von dem Bewuchs befreien. Je geringer die Wassertiefe, desto besser ist die Sicht. Deshalb hatten wir uns eine flache Stelle in der Bucht zum Ankern ausgesucht. Leider ankerten dort so viele andere Boote, dass wir an eine tiefere Stelle ausweichen mussten. Hier wurde Kolumbus-Tag gefeiert, ein richtiger Feiertag in den USA, deswegen waren, obwohl es Sonntag Mittag war, noch viele andere Boote in der schönen Bucht. Am nächsten Nachmittag würden sie zurück in den Heimathafen fahren, aber nun waren sie halt hier.
Kurz nach unserer Ankunft zog Volker mutig den Neoprenanzug an, und ging ins Wasser. Neben der eher schlechten Sicht sorgten Strömung und Wellen für extrem schwierige Bedingungen. Fast eine Stunde hat er es trotzdem im 17° kalten Wasser ausgehalten, den Steuerbord-Rumpf, ebenso wie einen Teil des an Backbord frei zu schaben, von unglaublichen Anwüchsen. Kein Wunder, dass die Hexe wie eine lahme Ente gesegelt ist, wie der Skipper es nannte.
Das war doch eine kräftezehrende Prozedur, für mich natürlich nicht so arg, ich musste nur eine Leine oben führen, damit Volker nicht auch noch gegen die Strömung ankämpfen musste. So hatten wir uns nach einem frühen Abendessen eine Komödie von der Festplatte geladen, den Film – ohne einzuschlafen – bis zum Ende geschaut und wollten unmittelbar danach zu Bett gehen. Bei einem kurzen Rundgang nach draußen stellt Volker fest, dass wir nicht mehr an derselben Stelle lagen, der Anker wohl geslippt war. Natürlich passiert das am späten Abend, wenn es dunkel ist, glücklicherweise hat der Vollmond geleuchtet. Also Motoren an, vielleicht reicht es, wenn wir ein bisschen mehr Kette geben. Das war es leider nicht, im Rückwärtsgang zeigt sich, dass der Anker offensichtlich nicht im Untergrund hält. Wir gehen Anker auf, und versuchen es erneut, diesmal von vornherein mit mehr Kette. Hält? Pustekuchen! Wir bewegen uns immer noch, wenn wir rückwärts fahren. Im dritten Anlauf und an einer anderen Stelle hat es dann geklappt, aber das hätten wir uns gerne erspart.
Die Nacht war ruhig, am nächstem Tag ist Volker gegen Mittag wieder in den inzwischen getrockneten Anzug geschlüpft, um die Reste von der Backbord-Seite ebenfalls von dem hartnäckigen Bewuchs zu befreien. Es war dies der Zeitpunkt, an dem die Strömung nicht ganz so stark wie am Vortag war, aber die Wellen hatten sich noch weiter aufgebaut und ihm zu schaffen gemacht.
Nachdem Volker wieder umgezogen und aufgewärmt war, haben wir uns mit dem Dinghy aufgemacht, um wenigstens ein bisschen Block Island zu erkunden. Schon bei der Anfahrt am Vortag war uns aufgefallen, dass die Insel eine große Ähnlichkeit mit der niederländischen Nordsee-Insel Vlieland aufweist, Vlieland war immer unsere Lieblingsinsel, seit wir mit der „Sherazade“ ganz am Anfang und später mit unseren „Hexen“ unseres gemeinsamen Segelabenteuers alle Urlaube und viele Wochenenden am Ijsselmer und der Nordseeküste verbracht hatten.
Und tatsächlich erinnern auch die Wege durch die Dünen, überhaupt die ganze Landschaft an die Nordseeküste, nur die Häuser sind in der amerikanischen Südstaaten-Architektur der Eastcoast gebaut, wunderschön, auf mehr als großzügigen Grundstücken.
Am Montag – an besagtem Kolumbus Day – segelten wir, der Strömung wegen, wieder früh los. Nach Mystic, einer kleinen Stadt an einem Inlet zwischen Newport und New Haven, hervorragend geschützt vor allen Winden, fährt man zunächst durch eine Eisenbahnbrücke, eine Drehbrücke, die meist offen steht, nur wenn Züge kommen, wird sie geschlossen. Danach sollte es weitergehen durch die Autobahnbrücke zu einem netten kleinen Ankerplatz.
Das hat nicht so hingehauen, wie wir uns das vorgestellt hatten, aber darüber mehr im nächsten Blog-Beitrag.
Das Wetter sieht ja jetzt wieder besser aus, aber es bleibt doch immer spannend. Passt auf euch uff. Ganz liebe Grüße
Jürgen und Susanne