24-Stunden-Etmal um 12:00 Uhr: 223 sm
Barometer 1021, Wolkenfelder mit sonnigen Abschnitten, Wassertemperatur 21,2 Grad,
Wind NE 319-27 Knoten, See bewegt bis ca. 2,5 m, Temperatur ab Sonnenaufgang angenehm warm
Es war eine unruhige Nacht. Der Wind hatte zugelegt auf 20-29 Knoten, dazu eine schaukelige Welle, die 2-3 Meter hochgeht. Bei jeder kleinen Böenfront drehte der Wind vorteilhaft,nach links, sodass wir südlicher fahren konnten.
Die Hexe fliegt los,es folgen endlose Surfs, die Logge zeigt 17 Knoten an. Wild tanzend geht es durch eine sternenverzauberte Nacht. Bei diesem Hexenritt ist an Schlaf fast nicht zu denken, aber wir müssen auch daran denken, dass wir nicht auf einem Sprintrace sind, sondern dass dieser Törn eher ein Marathon ist.
Die Taube hatte ja den Steuerstand zu ihrem Schlafort auserkoren, aber in den ganz frühen Morgenstunden fängt Volker sie mit einem beherzten Griff ein und trägt sie hinunter ins Cockpit. Dort bekommt sie wieder Wasser hingestellt, das sie auch ganz gierig trinkt, und ein bisschen altes Körnerbrot. Zuerst bleibt Hannelore, so hat Cornelia sie genannt, ganz hinten unterm Tisch und steckt sogar den Kopf unter den Flügel, aber später finden wir sie auf der gepolsterten Bank. Am Vormittag macht Volker die Zeltplanen in Lee weg, als wir das nächste Mal nach ihr schauen, war Hannelörchen auf und davon. Hoffentlich findet sie wieder ein Boot zum Ausruhen in der Nacht. Fazit: Tauben eignen sich nur bedingt als Haustier, besonders die Toilettenhygiene lies bei Hannelore zu wünschen übrig.
Es hatte noch einen anderen Grund, dass Volker die Taube von der Steuerung entfernt hat, zwischen 0500 und 0600 Uhr erhält die Hexe ihr wohlverdientes erstes Reff ins Großsegel. Das ging unblutiger als gedacht, nur die Ruderanlage hat plötzlich gesponnen, es kam eine Meldung auf dem Bildschirm, die man aber so schnell gar nicht lesen konnte und dann reagierte das Ruder nicht mehr! Dabei wollten wir jetzt doch wieder auf unseren Ausgangskurs zurück, nachdem Reff 1 in das Groß gebunden worden war. Volker hat das Boot dann mit den Gashebeln gedreht, das ging gut. Kurz danach funktionierte alles wieder, da hatte der Autopilot offensichtlich mit Arbeitsniederlegung gedroht, falls er weiter unter solchen Bedingungen seinen Dienst tun soll.
Danach ist es für uns deutlich entspannter, die Bewegungen des Bootes werden angenehmer. Klar, die Surfs werden weniger krass, aber die Welle schlägt auch nicht mehr ganz so arg gegen die Rümpfe. Wir schlafen bis in den Vormittag.
Heute morgen hatte ich wenigstens schon einen Kaffee getrunken, und war dabei, die Brötchen fürs Frühstück nett geformt aufs Backblech zu legen, da kommt Volker von einer seiner morgendlichen Joggingrunden ums Boot, die gleichzeitig so eine Art Inspektion der Boootsdetails sind, zurück, und sagt: Eine Naht am Großsegel hat sich auf ca. 40 cm aufgescheuert, das müssen wir richten! Oh! Nicht schon wieder was zum Reparieren!, denke ich, halte aber lieber die Klappe. Ich schaue mir die Stelle auch mal an, Volker sagt, dass sie sich an den Lazy Jacks aufgescheuert habe. Klar muss das repariert werden, keine Frage.
Als erstes wird Volker die Stelle wieder zusammen nähen, das ist natürlich eine Sysiphus-Arbeit, weil er, nach reiflicher Überlegung, das Segel nicht bis zu Reff 2 herunterlassen, sondern es in dem gespannten Zustand nähen will. Macht ja Sinn. Also sticht er von der einen Seite des Segels die Nadel durch, muss dann vorne um den Mast herum auf die andere Seite laufen, die Nadel herausziehen, in das nächste Nahtloch stecken und wieder zurück um den Mast zur anderen Seite.
Bei der ersten Hälfte des Risses kommt Volker mit seinen 1,90 m noch dran, bei der zweiten Hälfte muss er den Werkzeugkasten als Schemel benutzen, mit akrobatischen Haltungen, um die Schiffsbewegungen auszugleichen . Auf Anraten von Freund Matthijs aus Hoorn, der für uns bei seinem Segelmacher professionellen Rat eingeholt hatte, kleben wir mit Silikonkleber über die Naht ein Stück Segelstoff. Glücklicherweise hatten wir noch ein paar Stücke Segeltuch aus Dacron für solche Reparaturzwecke dabei. Nach über 3 Stunden ist die Reparatur erledigt.
Jetzt haben wir endlich Zeit, die Schönheit des Meeres zu bestaunen und die typischen watteähnlichen Passatwolken zu bewundern. Danach schiebt die Capitania ihre selbsthergestellten Brötchen in den Ofen und nach ein paar Minuten zieht ein verführischer Duft durchs Boot.
Nach dem Frühstück war es bereits 14 Uhr, Zeit, sich um die Mails, die täglichen Wetterberichte und das Logbuch zu kümmern, und auch ein Mittagsschläfchen war drin, denn die Nacht war doch arg kurz.
Um 16:30 ist wieder Intermar-Funkrunde, leider kann ich wieder nicht viel verstehen, nur Silvia aus Fuerteventura kommt glasklar rüber. Seltsam!
Zum Abendessen gibt es Geschnetzeltes mit Steinpilz-Sahne-Soße und Bandnudeln. Danach schreiben wir noch ein paar Mails und SMS, und schon wieder ist ein erfüllter Tag auf dem Meer rum.