Hoch und trocken

Ohrenbetäubend laut startet zuerst der große, stromliefernde Dieselgenerator, und direkt danach der Druckluftkompressor. Als dann noch das 120 Dezibel laute Sandstrahlgebläse kreischend einsetzt, wähnt man sich vollends im Vorhof der Hölle. 

Die ersten drei Arbeitstage auf der Werft in Arrecife sind vorbei. Beide Ruder mitsamt ihrem langen Edelstahlschaft sind ausgebaut, vom sozusagen „“gesunden“ Ruder wird eine Laminierform für das stark beschädigte Ruder abgenommen. Vom verbleibendem, unbeschädigten Skeg haben die Fiberglassexperten, fachmännisch geschickt, ebenfalls eine Laminierform direkt am Boot abgenommen, um einen neuen Skeg, in eben dieser Form laminieren zu können. 

Das Ruderlager auf der Seite mit dem kaputten Ruder ist ebenfalls beschädigt, wie sich bei näherer Inspektion herausstellte. Mehrere Walzenlager im Ruderlager sind beschädigt, bzw. teilweise gebrochen. Der Ausbau gestaltet sich schwierig und ist nur dank des vorsichtigen Einsatzes von Dremel und der Oszilliermaschine mit Sägeaufsatz möglich. Vorsichtig deshalb, damit das Gehäuse des Ruderlagers nicht auch beschädigt wird. 

Über drei Stunden brauche ich, bis das defekte Ruderlager sich endlich hochkant drehen und somit rausnehmen lässt. Vorsichtshalber baue ich auch das gegenüberliegende Ruderlager mit der Unterstützung von Wes aus. Zu zweit, und mit der Hilfe von einem Kantholz und ein paar Hammerhieben, ist der Job in einer halben Stunde erledigt.

Die Schiffsschrauben und die Propellernaben sind poliert, eine zeitraubende Tätigkeit, die aber mit einem schönen Hochglanzfinish belohnt wird. Aber die schwerste Arbeit, bis jetzt, hat definitiv der lanzarotensische Sandstrahlexperte, der mit viel Geschick und noch mehr Vorsicht, mit dem Sandstrahlgebläse das Antifouling vom Bootsrumpf entfernt. Dazu wird das abrasive Sandstrahlmaterial mit einem 2-3 Bar hohen Druck und einem langen Rohr, das dem eines Hochdruckreinigers in gewisser Weise ähnelt, aus ca. einem halben Meter Abstand auf den Bootsrumpf gerichtet. Theoretisch könnte ein ungeschickter Laie mit einem Sandstrahlgebläse die schützende Epoxyschicht und das Gelcoat beschädigen und eventuell sogar Löcher ins Laminat schießen. Der Sandstrahler selbst schützt sich und seine Gesundheit mit einer Atemschutzmaske und einem Helm mit ponchoartigem Umhang gegen den Staub und die umherfliegenden Sand- und anderen Körnchen, die in dem Strahlmittel enthalten sind. Morgen sollten beide Rümpfe komplett gesandstrahlt sein. 

Das Sandstrahlen beginnt

Wie geht es dann weiter? Zunächst einmal müssen beide Rumpfseiten gründlich gewaschen und vom Staub befreit werden. Ab Montag werden zwei weitere Epoxyschichten aufgebracht, die dann erstmal austrocknen und eventuell noch ein bisschen beigeschleift werden müssen. Dann wird zum Ende der nächsten oder zum Anfang der übernächsten Woche das finale Coppercoat Antifouling aufgebracht. 

Zwischenzeitlich wird das  Ruderblatt und der Skeg laminiert. Die Ruderlager von Jefa sind bestellt und auf dem Weg von Dänemark nach Lanzarote. Vorsichtshalber tausche ich noch die Saildrivedichtung und die Propellernabe am Backbord-Saildrive aus. Aber bis dahin fließt noch viel Wasser den Rhein hinunter, bzw. die eine oder andere Schweißperle über das Gesicht.

Cornelia hat während der Werftzeit ihr eigenes Programm und versorgt mich mit gekühlten Getränken, näht ein neues Lager für unser Bett im Salon, das wir bei Überfahrten nutzen, Sie besorgt notwenige Werkzeuge und Zubehör aus der Ferreteria (kleine lokale Baumärkte) und trifft sich hin und wieder mit Ulrike und Inge-Lore zum fröhlichen Plausch.

Irgendwie kommt einem so ein Werftprojekt wie eine Bergbesteigung vor. Erst steht es vor einem wie eine unbesteigbare Wand, doch dann ordnen sich so langsam die Dinge. Man kommt in den Arbeitsrhythmus, organisiert die Arbeitsabläufe, die Facharbeiter finden sich ein und so ganz langsam geht es bergauf. Das dann mal die Schultern oder der Muskelkater in den Armen schmerzt, ist verkraftbar, Hauptsache es geht koordiniert voran. Zusätzliche Hindernisse und unerwartete Ereignisse, wie beispielsweise das kaputte Ruderlager, werden mit Elan und Bravour gemeistert. 

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2 Antworten zu Hoch und trocken

  1. Schneider Manfred sagt:

    Glückwunsch zur Reparatur.
    Ich weiß wovon Ihr redet.
    Es geht vorbei.
    Grüße von der Capriole

  2. Gudrun Legeland sagt:

    Vielen Dank für diesen interessanten Beitrag! Für mich als Reparatur-Laie sehr lehrreich
    und spannend wie alles ausschaut und repariert wird. Ich wäre gerne bei Euch um alles live mitzuerleben, genauso wie ich es früher immer als Kind gemacht hatte und später dann doch unter Aufsicht meines Vaters einen Schweissapparat in der Hand hatte um neue Schweller an mein erstes Auto anzuschweißen.
    Viele liebe Grüße vom Tegernsee- Gudrun

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