Nach Madeira, Tag 2

Sonntag Abend, 27.06.2021, Baro 1019, kurz vor Sonnenuntergang, Wind NW (endlich) um 12-14 Knoten

22:00 Uhr Cap Finisterre – das Ende der Welt – liegt an Backbord querab, die Sonne geht hinter einem Wolkenband unter, die See ist schön flach, das ist sehr angenehm für mich, der Skipper hätte gerne noch etwas, oder auch viel mehr Wind, ich bin zufrieden mit 11-12 Knoten aus 125°, die Hexe fährt mit 7-8 Knoten, aber klar, so etwas ist für die Mädels….

23:30 Uhr: Sehr vorausschauend sieht der Skipper, dass da ganz dunkle Wolken von hinten aufziehen, und bei der Wetterlage mit dem Sturm über der Biscaya ruft er mich glücklicherweise, damit wir ein Reff ins Großsegel binden. Beim Durchholen der Großfalls gibt es einen schrecklichen Ruck, und wir suchen nach einem kaputten Fall. Wir denken, dass das Großfall gerissen ist und bergen vorsichtshalber das Segel. Dabei sieht Volker, dass es wohl nur der Gurt war, der Reff 1 einbindet, und nicht etwa die Leine von Reff 1 oder die Großschot oder sonst irgendetwas Schreckliches, was im Dunkeln schwer zu finden und zu reparieren ist. Von dem Gurt gibt es noch einen heilen, zwei von dreien sind gerissen oder angerissen, da müssen wir uns was ausdenken.

Froh, dass nichts Schlimmeres passiert ist, setzen wir das Groß im ersten Reff, rollen die Genua aus, und fahren erst einmal mit beiden Motoren vor den dunklen Wolken weg. Nach einer Weile meint der Skipper, dass sie sich auflösen, und es dahinter wieder heller wird, die Motoren sollen aus, wir segeln, jetzt zwar leicht gebremst mit dem Reff im Großsegel, aber so ist das in Ordnung, und wir sehen, ob hinter den Wolken noch mehr Wind kommt.Ich bin ganz stolz auf meinen umsichtigen Skipper!

Montag, 28.06.2021, 00:00 Uhr, Baro 1021, Wind NW 12-14 Knoten.
Der Wind bleibt stabil, wir auch, Volker ruht oben auf der Couch, mit Ipad als Repeater des Navigationsbildschirms und dem Handy als Wecker. Alle 10-15 Minuten rappelt das Ding, Volker ist hellwach und schaut, was sich da draußen so tut.

04:00 Uhr, der Wind hat aufgefrischt auf 19-24 Knoten, wir werden immer schneller. Die Windmodelle raten alle von dem ganz direkten Weg nach Madeira ab, weil weiter draußen der Wind nachlässt, und er an der Küste längs bis Lissabon stabil aus NNW mit 15-20 Knoten wehen soll. Im Moment stimmt das auch, wir haben nur die Route so gesetzt, dass wir hier an der spanisch/portugiesischen Küste nicht unter einer Wassertiefe von 500-1.000 Metern fahren, weil da keine, nachts einfach unsichtbaren, Fischerbojen auf unserem Weg liegen. Nach Santiago de Compostela sieht man auf einmal ganz viele Frachter auf unserer Backbordseite, und zwischen uns und dem Land tummeln sich die Fischerboote. Gut, dass wir so weit draußen sind, den Fischern müssten wir auf jeden Fall ausweichen.

Um 06:30 Uhr bin ich wieder wach, und hoffe, dass Volker jetzt mal ein bisschen länger am Stück schlafen kann als immer nur die 15 Minuten, bis das Handy wieder klingelt. Der Wind hat nachgelassen auf ca. 15 Knoten, wir fahren leider nur noch 6-7 Koten. Gerade als ich das erste Mal heute morgen auf den Navigationsbildschirm schaue, begegnet uns in über zwei Meilen Entfernung ein Segelboot, Solosegler „Corum“ mit einer Länge von 18 m, und einer Breite von 6 m. Durchs Fernglas kann ich das leider nur schemenhaft erkennen, aber es sieht aus, als habe er sehr dunkle Segel, und er fährt beeindruckende 10 Knoten Geschwindigkeit auf einem Amwindkurs. Das muss ja ein Racer sein! (Der Skipper meint später fachmännisch, dass es ein Open 60 ist.)

Mit dem eher roten Sonnenaufgang um 07:20 kommt auch der Wind wieder, die Wellen hinter uns haben weiße Schaumkrönchen, der Windanzeiger zeigt 17-20 Knoten an. Als der Skipper erwacht, versuche ich gerade, den Baum-Preventer etwas fester zu setzen, aber das gelingt nicht wirklich gut, denn das eine Seil geht an der geknoteten Stelle auseinander, und jetzt habe ich drei Teile in der Hand, und kann sie nicht mehr gut halten, geschweige denn zusammen knoten.

Wir halsen um 08:40, reffen die Genua aus, um 09:30 ebenfalls das Großsegel, der Wind weht nur noch mit 14-16 Knoten, so fährt die Hexe angenehmer und wir kommen dennoch voran. Um 10:00 Uhr zur Funkrunde auf Intermar kann ich Uwe gut verstehen, er mich wohl auch leidlich, auf jeden Fall hat er unsere Position und wir die Bestätigung, dass wir auch weiterhin hier an der Küste nördliche Winde mit 4-5 Beaufort haben werden. Das sagen auch meine Gribfiles in Zygrib, die ich heute morgen über die Kurzwelle geholt habe, wir müssen nur sehen, dass wir nicht zu weit vom Land weg kommen, denn da nimmt der Wind ab.

Der Hefeteig für die Frühstücksbrötchen ist angesetzt, ich bin jetzt auch schon geduscht, weil wir nach der Halse für kurze Zeit den Motor mitlaufen hatten, und das Wasser warm ist. Wenn der Skipper dann auch geduscht hat, nach einem kleinen Morgenschlaf, schließlich hat er die ganze Nacht immer nur 15 Minuten am Stück geschlafen, dann gibt es ein leckeres Frühstück, und wir sind gerüstet für den Tag.

11:00 Uhr, Baro 1020, sonnig, Wind weiterhin NNW.
Das Tagesetmal beträgt 166 sm, wenn wir mit der Geschwindigkeit weiter fahren, sind wir morgen um diese Zeit vor Lissabon, vielleicht haben wir da noch einmal ein Telefonnetz, dann geht es auf das große Meer Richtung Madeira.Im Moment ist die See ganz flach, wir segeln bei 14-15 Knoten Wind Richtung Küste, bevor wir bei der 1.000-Meter-Tiefenlinie wieder halsen werden, um auf den günstigeren Kurs zu gehen.

13:00 Uhr wir haben gespätstückt, naja um eins kann man ja wohl kaum von Frühstück reden, mit selbst gebackenen Brötchen, draußen (obwohl ich erst Bedenken hatte, dass es viel zu kalt sei, war es sehr angenehm warm), vorher gehalst, und nun schaukeln wir so über das wellige Meer. Da macht man ganz automatisch die Sportübungen für Gleichgewicht und Haltung, sehr praktisch.

14:00 Uhr, der Skipper geht endlich mal richtig schlafen, runter, in die Koje, da hat er mehr Ruhe und ich muss nicht ganz leise sein.Ich versuche mich an den verschiedenen Wetterberichten, die ich über die Kurzwelle empfangen kann, Matthijs hat eine Einschätzung der Lage bei uns geschickt, auch er ist der Meinung, dass wir nicht zu früh den direkten Weg nach Madeira nehmen sollten, sondern so einen kleinen östlichen Bogen fahren. Das sagen meine Gribfiles auch.

18:00 Uhr, Baro 1023, der Wind hat wieder ein bisschen aufgefrischt, aber die Wellen bleiben bei ca. einem bis anderthalb Meter. Die Sonne hat sich auch getraut, und ein paar weiße und ein paar hellgraue Wolken sind rund um uns am Horizont. Wir diskutieren die möglichen Strategien für die nächsten Tage Richtung Madeira, ob wir den Vorhersagen ganz trauen sollen, und den Umweg fahren, der aber leider ein Vorwindkurs ist mit mehreren Halsen und außerdem länger, oder ob wir doch den fast direkten Weg nehmen, dafür einen besseren Kurs zum Wind haben, eventuell weniger Wind, aber den Kurs könnten wir dann mit dem Code D segeln, das würde wiederum mehr Geschwindigkeit bedeuten.

Jetzt fahren wir einfach weiter auf Kurs 208°, der Wind bleibt stetig zwischen 15 und 20 Knoten, zum Abendessen im Cockpit gibt es Risotto, mit einem saftigen Stück Fleisch für Volker und dem letzten Stück von unserem Thunfisch für mich. Menschenskinder, war der Fisch lecker! Ob roh als Ceviche, gegrillt auf dem Lotus oder im Risotto wie heute, so einen leckeren Thunfisch habe ich, glaube ich, noch nie gegessen.

Nach dem Abendessen setzen wir uns zum Sonnenuntergang nach oben, genießen die ruhige See mit ihren langen Wellen und philosophieren über die weiteren langen Törns, die wir dieses Jahr noch vorhaben. Morgen Abend werden wir „Bergfest“ feiern können, das wird die Hälfte der Strecke von A Coruna bis nach Madeira sein. Wenn alles gut geht, sollten wir in der Nacht vom 1. auf den 2.Juli in Porto Santo ankommen. Die 300 Meilen von Madeira bis Lanzarote, die dann noch vor uns liegen, fühlen sich wahrscheinlich wie ein Katzensprung an.

Und im November geht es dann richtig los. Von Gran Canaria bis zu den Kapverden sind es ein bisschen mehr als 800 sm, und von dort bis Grenada über 2000 sm. Da muss man vorher schon gut eingekauft haben, und ordentlich gestaut. Und auch die Lektüre muss bedacht werden, denn auf solchen Seereisen hat man, wenn man nicht in einen Sturm gerät (und wer will das schon?), ziemlich viel Zeit. Keine Mails, kein Internet, keine Nachrichten, vielleicht ab und zu ein Schwatz auf der Kurzwelle, ja, und klar, die kurzen Mails und Wetterberichte über das Kurzwellenprogramm. Aber das ist auch nicht tagesfüllend. Also üben wir jetzt schon mal…

Um 21:16 Uhr ist Sonnenuntergang, aber nach westeuropäischer Zeit, und unsere Uhren stehen noch auf mitteleuropäischer Zeit, damit wir nicht ganz wirr im Kopf werden, stellen wir sie erst bei der Ankunft in Porto Santo um. Also jetzt, um 21:45 scheint die Sonne noch, das Barometer steht weiterhin auf 1022. Am Himmel stehen ein paar kleine Wölkchen, der Wind kommt mit 16-20 Knoten aus NNO. Hoffen wir mal, dass es eine gute Nacht wird, in der wir weiterhin schön voran kommen, ohne größere Reff- und Ausreff-Aktionen.

Bis morgen!

Dieser Beitrag wurde unter Logbuch veröffentlicht. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

2 Antworten zu Nach Madeira, Tag 2

  1. Ulrike Anneken sagt:

    Hallo ihr Lieben, super, ein langer detaillierter Bericht.
    Leider kann ich euch auf Marine Radar nicht mehr sehen… weiterhin eine ruhige Überfahrt!!!

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert