Nach Madeira Tag 3, Rest und Tag 4

Dienstag, 30.06.2021, zweiter Teil, aus dem Logbuch:

13:00 Uhr Nach dem späten Frühstück (heute eine Stunde früher als gestern das wirkliche Spätstück) holt der Skipper noch ein bisschen Schlaf nach, hier auf seiner gemütlichen Couch. Ich übernehme, mache die Daten fertig für Volkers heutigen Bericht im Blog, und sehe im AIS auf unserem Plotter, dass ein Frachter mit Ziel Skagen in Dänemark direkt auf uns zukommt. Ich beobachte den Kurs der „Golden Empress“, der goldenen Kaiserin, aber sie kommt weiterhin direkt auf uns zu. So richtig nach Kaiserin sieht sie beim näheren Hinschauen nicht aus, eher wie eine gewöhnliche Bürgerin, aber vielleicht hat sie innere Qualitäten. Ihr Skipper war auf jeden Fall sehr freundlich, denn als sie noch ca. 20 Minuten entfernt ist, und weiterhin direkt auf uns zuhält, rufe ich auf Kanal 16, und bekomme auch postwendend eine Antwort. Ich frage, ob sie vor uns durchgehen, dann müssten sie mal ein bisschen aufs Gaspedal, oder an unserer backbord-Seite vorbei fahren. Der Mensch am Funk sagt, ja, er wolle auch gerne wissen, was unsere Intention sei, ob wir unseren Kurs beibehalten möchten? „Ja,“ sage ich, „wir sind ein Segelboot und vom Wind abhängig, ich würde schon gerne unseren Kurs beibehalten.“ „Ist gut“, sagt er, „then we will pass at your stern“, er geht nicht vorne durch, sondern an unserer Backbord-Seite vorbei. Geht doch, oder? Wir wünschen einander noch eine gute Reise, und fahren unserer Wege.

Um 14:30 hätten wir theoretisch die Hälfte der Strecke hinter uns, 392 sm sind wir bereits gefahren laut Zähler, und auf der geraden Strecke liegen noch 386 sm vor uns. Aber da sind keine Halsen oder andere Umwege drin, also schaumermal…

16:15 Uhr Der Wind hat nachgelassen, wir setzen den Genaker, bisher hatte ich so meine Bedenken (aber die hab ich ja gerne), od wir zwei allein das noch gut handeln können, schließlich merke ich leider, dass ich nicht mehr so mobil und vor allem so stabil bin wie früher. Und wenn dann nachts der Wind plötzlich auffrischt und alles sehr schnell gehen muss, fange ich auch gerne an, Fehler zu machen. Das ist dann auch ziemlich doof. Aber jetzt ist es natürlich sehr gut, und Volker hat auch darauf bestanden, dass ich die Schoten lege, damit ich das wieder wie selbstverständlich in meinem Kopf habe, das hilft auch gegen die Fehler aus Panik.

Der Gennaker zieht sehr gut, wir sind viel flotter unterwegs, und die Wellen sind dadurch auch angenehmer. Es sind immer so 14-16 Knoten Wind, und wir können inzwischen sogar den Kurs auf der Ideallinie nach Porto Santo halten. Es braucht nur viel mehr Aufmerksamkeit, den so an der Kante zu fahren bedeutet, dass man auf jede kleine Winddrehung reagieren muss, auf der einen Seite nicht zuviel von dem Idealkurs abzukommen, und auf der anderen Seite nicht so weit vor den Wind zu geraten, dass das Boot zunächst viel langsamer wird und durch weiteres Abfallen das oot mit dem Heck durch den Wind geht, das hätte eine ungewollte Halse, die sogenannte Patenthalse als Folge.

Zum Abendessen gibt es Schweinelende und ein Stück Rindersteak,lecker mit Zwiebelringen, Reste von dem gestrigen Risotto und Rosenkohl aus dem spanischen Supermarkt.Danach überlegen wir gerade die Schlaf-Strategie für die Nacht, denn mit dem Genaker können wir uns nicht so eine faule Nachtwache wie die letzten beiden Nächte erlauben, als der Wind deutlich auf über 20 Knoten auffrischt und Volker nur sagt: „Der Genaker muss weg“. Der Skipper ist schon ein wenig traurig, denn gerade lief es so schön, aber für die Nacht ist das schon eher vernünftig. Und wir müssen ja keine Regatta gewinnen, jetzt, auf unserer Reise.

Matthijs hat uns wieder eine sehr detaillierte Beschreibung des Streckenwetters und der möglichen Strategien über die Kurzwellenmail geschickt, leider ist er davon ausgegangen, dass wir seiner Empfehlung gefolgt sind, und viel weiter östlich sind als es tatsächlich der Fall ist. Trotzdem kommen wir bis jetzt gut voran, das Halbtagesetmal um 23 Uhr liegt bei 97 sm, das entspricht quasi dem Etmal bis 11:00 Uhr heute Mittag.
Ich gehe jetzt ins Bett, Volker schaut mal, was die Nacht so bringt, und dann sehen wir morgen weiter. Gute Nacht!

Mittwoch, 30.06.2021, Baro 1021, Sonnenaufgang, leicht bewölkt, Wind N um 3, See ruhig

Meilenstand um 07:00: 508 sm seit A Coruna. 53 Meilen sind wir gefahren seit gestern Abend um 23 Uhr, das ist zwar nicht viel, aber im Moment müssen wir ja auch keine Regatta gewinnen. Da hier um uns herum fast keine Schiffe fahren, ist es auch eher ruhig, wenn das Wetter sich nicht grundlegend ändert, also konnten der „Skipper unn sin Fru“ hervorragend schlafen, und ab und zu mal einen Blick auf den Windeinfallswinkel und das AIS werfen.

Der Wetterbericht von heute Morgen bestätigt die Annahmen von Matthijs und uns von gestern: Es wird eher weniger Wind, wir werden das wenige ausnutzen und nicht noch zusätzliche Meilen in Kauf nehmen, nur um ein paar Knoten mehr Wind zu haben. Volker denkt noch über die Alternative Gennaker oder Spinnaker nach, das sei sein Bier, habe ich gesagt, ich bin dabei nur für die Wetterberichte zuständig.

Wie schön ist es, wenn am Morgen zum Sonnenaufgang die Sonne auch wirklich scheint! Heute morgen sieht es hier wirklich aus wie im Film, auch wenn des Seglers Herz dabei blutet: Kleine langgezogene Schäfchenwölkchen, eine absolut flache See, 360 Grad um uns herum, nur schade, dass dabei der Motor laufen muss, weil für diesen Kurs, mit leichtem Wind komplett von hinten, die Segel nicht gut stehen würden, es sei denn, s.o., wir würden den Spinnaker setzen. Aber nun muss auch erstmal der Wassertank gefüllt werden mit dem Wassermacher, und das machen wir nur unter Motor, weil der sonst zuviel Strom aus den Batterien zieht.

09:50 Gennaker steht, Kurs 225, SOG 6,8kn, TWS 9-10 kn, TWA 140°, noch 258 sm bis Porto Santo.
10:30 Gehalst Kurs jetzt 150°
11:15 Spinnaker steht, Kurs 188°, Wind 5-6 Knoten
12:00 gesegelte Meilen seit A Coruna 537 sm, Tagesetmal um 11:00 Uhr 177 sm

Der Wind reicht einfach nicht aus, um den Spi sinnvoll stehen zu lassen, deshalb bergen wir ihn. Leider mache ich beim Öffnen der Klemme für das Spifall am Mast irgendeine unbedachte Bewegung, und schreie auf über den Schmerz, wieder so ein Hexenschuss! Und das auf der Hexe!
Jetzt muss Volker den Spi packen, eigentlich ist das meine Arbeit, und mir eins von den selbstgebackenen Brötchen schmieren, denn momentan kann ich nur liegen. Der Wind wird noch schwächer und hat leider noch nicht gedreht, wir motoren erstmal, damit wir ein Stückchen vorwärts kommen. Der Skipper darf noch eine Runde Nachtschlaf nachholen, danach lege ich mich auch nochmal ins Bett, und hoffe, dass danach mein Rücken wieder halbwegs einsatzbereit ist.

Als ich aufwache, ist es draußen inzwischen richtig warm, so wie sich das für einen solchen Sommertag gehört. Leider ist immer noch kein Wind und mittlerweile ist der blaue Himmel einer fast kompletten Wolkendecke gewichen. Und so wild bewegt die Wellen am Anfang unserer Überfahrt gewesen sind, so ruhig und glatt erscheint die See jetzt. Aber tief, tief! Über 4.000 m, das war es allerdings auch schon in der Biscaya. Nur manchmal sind kleine Meeresberge darin, dort stehen dann nur noch 100-200m in der Seekarte.

Um 18:30 hat der Wind soweit gedreht, das wir den Gennaker auspacken können, es sind immerhin sechs bis sieben Knoten aus Nordwest, die uns mir ca vier bis sechs Knoten Fahrt Richtung Madeira bringen. Um 20.00 Uhr liegen noch 200 Seemeilen bis Porto Santo vor uns, bei durchschnittlich vier Knoten Fahrt sind das noch fünfzig Stunden, dann kämen wir nach 22 Uhr am Ankerplatz an; bei fünf Knoten Fahrt wäre es noch hell, und bei sechs Knoten…

Morgen sehen wir weiter.

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2 Antworten zu Nach Madeira Tag 3, Rest und Tag 4

  1. Ulrike Anneken sagt:

    immer wieder spannend euren Bericht zu lesen. Leider sehe ich euch auf Marine Radar nicht mehr. War heute in Calero, alle warten auf euch bis bald Ulrike

  2. Liebe Cornelia, ich hoffe deinem Rücken geht es wieder besser so kurz vor dem Geburtstag. Gute Besserung

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