Segeln in die USA

Tag 1

Baro 1012, sonnig, leicht bewölkt, warm, Wind SW 3-4
an Bord: Roisin, Wes, Volker und Cornelia

Um 08:00 Uhr, früher als geplant, sind wir unterwegs, der Skipper hatte – ausnahmsweise – keine Geduld, bis zur geplanten Abfahrtszeit um 10:00 Uhr abzuwarten. Wir haben ca. 300 sm vor uns bis St. Augustine, unserem geplanten Einreiseort in Amerika. Das sind, je nach Windbedingungen, anderthalb bis zwei Tage. Es sind ideale Bedingungen für gemütliches Segeln, flache See, um zehn Knoten Wind, zunächst segeln wir mit dem Gennaker, die Geschwindigkeit ist 7-8 Knoten. Der Hefeteig steht am Fenster, und soll gehen, Kaffee ist von Wes ganz früh gekocht worden, der Wellengenerator sowie die Solarpanele liefern mehr als ausreichend Energie, so kann es weitergehen.
Tatsächlich ist es zunächst Sommersegeln vom Feinsten! Es ist warm, manchmal so warm, dass wir uns in den Wind stellen, um abzukühlen. Es gibt selbst gebackene Brötchen zum späten Frühstück, gekochte Eier und – wie fast jeden Morgen – unglaublich leckeres Obst. Mangos, Ananas, Papayas, fast alle Früchte kommen aus der Karibik oder den Bahamas selbst, vieles aus Guatemala und der Dominikanischen Republik, und es schmeckt einfach gut, weil es vor Ort gereift ist. Achtung, der Verzehr von reifen Ananas kann süchtig machen!
Seglerisch geht es erst einmal unspektakulär weiter.

Die Kapitäne planen die Fahrt

Anfangs hat kurz der Gennaker gestanden, aber der Windwinkel wurde zu spitz, weiter geht es mit der Genua, bei einem Windeinfallswinkel zwischen 100 und 120 Grad wird unsere Hexe richtig schnell, und der Skipper ist glücklich. Leider baut sich eine kabbelige See auf, wir einigen uns darauf, dass es vom Golfstrom kommt, der an der amerikanischen Küste für eine starke Strömung nach Norden sorgt. Eigentlich kann der Golfstrom hier – wir sind ja immer noch in den Bahamas – keinen wichtigen Einfluss haben, aber wenigstens bekommen wir so eine Erklärung für die ruppige See. Am Nachmittag wechseln wir uns alle ein bisschen ab mit Schlafen, damit wir für die Nacht gut vorbereitet sind.
Das Abendessen verteilen wir heute auf die jeweiligen Ehepaare, denn da wir unterschiedliche Essgewohnheiten haben, was die Zutaten angeht, ist das Kochen etwas aufwändiger und bei dem Geschaukel muss man Töpfe und Pfannen auf dem Herd sichern. Zuerst essen Volker und ich kleine Nuggets von der Hühnerbrust mit selbst gemachtem Kartoffelpüree und einer kleinen Gemüsepfanne, unsere Gäste bereiten für sich Kürbispüree mit Kartoffeln zu.
Danach legen sich Wes und Roisin für eine Weile hin, Volker beobachtet Wind und Segel, damit der Windeinfallswinkel optimal ausgenutzt wird, ich versuche unseren Blog, Positionen und Wetterberichte über die Kurzwelle zu versenden und zu empfangen. Es wird langsam dämmerig, um uns herum stapeln sich die dunklen Wolken, es beginnt zu grummeln, und natürlich zucken auch leuchtende Blitze durch die Gegend. Im Radar schauen wir nach, ob sich die Wettergebilde uns zu bewegen, oder ob sie verschwinden werden. Der Regen aus den Gewitterfronten erzeugt ein Echo in der Radaranzeige, und man kann den Zug dieser manchmal sehr umfangreichen Regengebiete gut verfolgen.
Nun beginnt eine wilde Jagd: Der Wind hat zugenommen, klar in gewittrigen Zonen, und wir versuchen, einer breiten Regenfront angefüllt mit Donner und Blitz zu entkommen. Die Genua ist schon ganz klein gerefft, aber wir fliegen mit bis zu 14 Knoten Fahrt dahin, eigentlich ist der Skipper, trotz dicker Regenjacke, ganz glücklich, wenn da nicht solche runden Dinger voller Wasser auf dem Bildschirm drohten. Mein Blick jedenfalls ist starr auf die Radaranzeige gerichtet. In Böen haben die Fronten bis zu 35 Knoten Wind dabei, bei vollem Großsegel nicht so spaßig, deswegen ist Volker dann immer weiter abgefallen, vom Wind weg, bis die Böen vorbei sind.

Dunkle Wolken drohen


Irgendwann können wir einer Front nicht mehr entkommen, das ist der Zeitpunkt, an dem wir doch das Großsegel reffen. Wes und Roisin hören natürlich den Lärm, das Anspringen der Motoren und die unruhigen Schritte auf Deck, und kommen zum Helfen. Es ist immer spektakulär und aufregend, weil das Boot in den Wind gedreht werden muss, der scheint dabei stärker zu werden, weil er von vorne kommt. Das Segel muss schnell abgelassen werden, dazu geht Volker an den Mast und zieht es nach unten, auch nicht wirklich spaßig, wenn wegen zuviel Wind gerefft werden muss. Dabei müssen die Reffleinen nachgezogen werden, diese schlagen gerne mal, bis sie wieder fest sind, und gleichzeitig wird das Großsegel wieder hochgewinscht. Also eine eher stressige Situation.
Aber danach kommt – natürlich – eine Periode mit wenig Wind, aber nur kurz, anschließend geht es, gerefft, mit 8 – 10 Knoten Speed bei 12 – 14 Knoten Wind flott voran.

Tag 2

Sonnenuntergang

Baro 1011, bewölkt mit Aufheiterungen, Wind SW um 4, auf See
Tagesetmal um 08:00 Uhr: 175 sm, noch 131 bis St. Augustine
War das ein Geschaukel heute Nacht! Der Gang zur Toilette fühlt sich an, als versuche man, auf einem wilden Pferd beim Rodeo zu reiten. Bei der anschließenden Rückkehr in den Salon wird man zum Bergsteiger, vier Stufen hoch. Zähne putzen, Kaffee kochen und den Frühstückstisch zu decken, wird zum Abenteuer, denn für alle Tätigkeiten habe ich nur eine Hand frei, mit der anderen muss ich mich festhalten. Ausnahmsweise werden mal bei einem Katamaran die Schubladen gesichert, Flaschen und Gläser in die Spüle oder an einen sicheren Ort gestellt, damit sie nicht umfallen. Auch der Drehstuhl am Kartentisch, auf dem ich immer dieses Logbuch schreibe, erfordert Beweglichkeit im Rücken und in den Beinen, um weiterhin die Finger auf der Tastatur zu platzieren. Nur im Bett und auf dem für die Überfahrt zur großen Liegewiese ausgezogenen Sofa liegt es sich bequem. Dort hat Volker sein Bett aufgeschlagen, prinzipiell macht er nach alter Gewohnheit die Nachtwachen, deshalb liegt er oben und schläft dann hier richtig, wenn ich in der Früh komme und die Wache übernehme.

Wes und Roisin auf Wache

Aber jetzt sind wir zu viert, Wes und Roisin übernehmen auch Wachen, da muss Volker während der Nacht nicht alle 15 Minuten nach den Rechten sehen.Gegen Morgen wird das Geschaukel etwas besser, mal sehen, wieviele blaue Flecken ich morgen haben werde.
Halbwegs ausgeschlafen treffen wir uns alle zum Frühstück um 10:30 Uhr, wieder mit selbst gebackenen Brötchen, heute Spiegelei mit Püree oder Avocadocreme, und ebenfalls wieder jede Menge Früchte. Gut, dass wir soviel Zeit haben, die bissfertige Zubereitung von Ananas und Mango ist schon zeitaufwändig.
Danach holen alle nacheinander noch ein bisschen Schlaf nach, während die Hexe, in ihrer Geschwindigkeit auch begünstigt vom Golfstrom, weiter nach St. Augustine segelt. Um uns herum türmen sich leider wieder einige Schlechtwetterwolken auf, drohen mit Regen und Starkwind, sonst würde Volker sofort den Code D setzen, und wir könnten schneller unserem Ziel entgegenstreben. Wir werden auf jeden Fall im Dunkeln ankommen, aber die Karten zeigen keine wesentlichen Hindernisse, und die Einfahrt scheint gut betonnt zu sein. Außerdem war Wes schon hier und kennt – zumindest am Tag – die Gegebenheiten.Ab 15 Uhr kommen die dicken Wolken näher, ab 16 Uhr ist der Regen im Radar gut zu sehen, wir binden Reff 1 ins Großsegel, die Genua ist ja schnell weggerollt. Heute sind wir besser organisiert, wir müssen nicht erst reffen, wenn es schon Starkwind hat. Leider sieht es nur so aus, dass wir diesmal den Squalls mit dem vielen Regen nicht entkommen werden.

Die Fronten liegen um uns herum

Und so war es auch, leider. So viele große Regenfronten um uns herum habe ich noch nie auf dem Radar gesehen, es wurden immer mehr und sie vereinigten sich zu großen Gebilden, aus allen blitzte es, und dazu fiel unglaublich viel Niederschlag . Die Genua war schon nur ein Taschentuch, doch Böen von über 36 Knoten veranlassten Volker, das Großsegel ganz zu bergen, und nur mit dem Motor zu versuchen, den kräftigsten Fronten und Gewittern auszuweichen. Die Gewitter haben wir so – glücklicherweise – umfahren können, nur der Regen ließ sich nicht vermeiden. Fast zwei Stunden hat das Spektakel gedauert, das Boot ist mehrfach gewaschen worden, der Skipper und Wes aber auch, nur Roisin und ich haben die Entwicklungen am Radarbildschirm verfolgen dürfen, wir haben ab und zu Kursänderungen empfohlen, um den wildesten Gebilden auszuweichen, sowie bei stärkeren Donnern und Blitzen in der Nähe Laptops und Telefone im Backofen verstaut.
Es gab einen wilden Sonnenuntergang um 20 Uhr, der Wind ist immer noch viel stärker als vorhergesagt, und wir fahren gerefft in die zweite Nacht.

Tag 3

Kurz vor Sonnenaufgang kommen wir vor St. Augustine an, legen uns auf den ersten besten Ankerplatz und schlafen erstmal. Nach zwei Nächten und 320 Seemeilen sind alle ein bisschen müde, später werden wir zu den Bojen vor der Marina fahren, um dort ein paar Tage die wunderschöne Stadt zu erkunden. Aber darüber schreibt Volker im nächsten Beitrag.

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