ZIVILCOURAGE

war bei meinen Eltern ein ganz großes Thema. Zivilcourage zeigte man, wenn man den Mund auch in unangenehmen Situationen aufmachte, wenn man sich traute, gegen den Strom zu schwimmen, oder einfach nur keine Ungerechtigkeiten unbeachtet ließ. Heute hat Volker genau diese Zivilcourage bewiesen, und großes Lob von ganz vielen Leuten eingeheimst, von Franzosen, Italienern und Engländern, und natürlich von mir.

Das kam so: Nach einem fleißigen Tag, Volker mit Politur und Wachs und ich am Computer, haben wir am späten Nachmittag beschlossen, uns noch eine Stunde am Strand und ein Bad im nicht mehr kühlen Mittelmeer zu gönnen. Ich springe auch immer gleich ins Wasser, sowie wir am Strand angekommen sind, und Volker spielt David (H), während er erst kurz vor dem Heimweg schwimmt und ich die Pamela gebe.

Als ich zurückkomme vom Schwimmern, hat Volker schon ein italienisches Ehepaar auf dem Kieker, das ganz unten am Wasser lag, man konnte sozusagen nicht anders, als sie beim Blick aufs blaue blaue Meer wahrzunehmen. Zuerst schrie die Mutter ziemlich hysterisch in ihr Telefon, daraufhin kam wohl die (fast erwachsene) Tochter von irgendwoher angetrabt. Als Begrüßung hat die Mutter der Tochter zunächst mal eine schallende Ohrfeige gegeben. Als sie aber dann fortfuhr, und die Tochter mit ihren Schlappen schlug und schließlich auch noch boxte, wurde es Volker zuviel.

Er stand von seinem Handtuch auf, ging zu der Familie und schrie die Mutter auf englisch an, dass sie gefälligst aufhören solle, ihre Tochter hier in der Öffentlichkeit vor allen Augen zu schlagen, das sei unerhört. Die Mutter wurde noch wütender und schrie zurück, er solle sich zum Teufel scheren, und das ginge ihn gar nichts an. „Das geht uns sehr wohl etwas an, wir müssen ja alle hier zusehen!“, erwiderte Volker, und der Vater, der bisher eher teilnahmslos dabei gestanden hatte, pflichtete Volker auch noch bei. Die Tochter wirkte, als sei sie solches durchaus gewöhnt, was die ganze Situation natürlich nicht besser machte.

Nun kamen schon Stimmen von den anderen Sonnenbadenden, die zu Volker sagten, wie Recht er habe, und dass das unmöglich sei. Schließlich waren hier auch viele Kinder am Strand, die das mit ansehen mussten. Schlussendlich hat die Mutter aufgegeben, die Familie hat ihre Sachen gepackt und ist vom Strand weggegangen. Mehrere Leute kamen daraufhin bei Volker vorbei und haben ihn ob der Aktion gelobt, wie gut er das gemacht habe. Selbst als wir nach dem Strand im Lieblingspub noch ein Bier getrunken haben, kam eine Familie vorbei, reckte die Daumen in die Höhe und meinte: „Richtig so!“

Der Werner, mein Vater, hätte es Zivilcourage genannt.

Dieser Beitrag wurde unter Uncategorized veröffentlicht. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert