Hoch am Wind segeln wir in Richtung Norden, wo wir hinwollen, wissen wir nicht genau. Hauptsache segeln und das bei wunderbaren Bedingungen. Flaches Wasser, 8-12 Knoten Wind und blauer Himmel, mit ein paar Tüpfelwolken. Seit Mittwoch sind wir wieder an Bord, und ein paar aufregende Tage liegen hinter uns. Die Capitania wurde 70 Jahre alt und es gab eine große Feier, zusammen mit unserer gerade 30 gewordenen Tochter. Runde 100 Jahre haben die Jubilarinnen gefeiert, schön im heimischen Garten, mit vielen lieben Freunden und ebenfalls bestem Wetter. Ich durfte mich am Grill so richtig austoben und habe über 70 Hamburgerpattis gegrillt. Bis tief in die Nacht haben wir mit unseren Gästen zusammengesessen und das neue Lebensjahrzehnt für Larissa und Cornelia gebührend gefeiert.
Jetzt, zurück an Bord, ticken die Uhren wieder etwas langsamer und ruhiger. Doch die Lebensuhr der im vorigen Bericht erwähnten Hochdruckpumpe von Cat Pumps schien wohl endgültig abgelaufen zu sein, obwohl neun Leben versprochen waren. Zu sehr hat der Verschleiß an der Pumpe genagt. Kolben und Lager waren soweit eingelaufen und mit Abnutzungsspuren versehen, dass eine neue Cat Pump bestellt werden musste, die wir auf dem Weg nach Holland in Idstein abholen konnten. Die sitzt jetzt, wieder eingebaut, zwischen den 24-Volt- und 220-Volt-Motoren der Wassermachereinheit und wartet auf ihre Inbetriebnahme. Das können wir jedoch erst ausprobieren, wenn wir wieder Salzwasser unter unseren Rümpfen haben, weil Süßwasser, das unter Druck gesetzt wird, die Membrane zerstören würde.



Zwei Stunden später und nach einigen Wenden erreichen wir Enkhuizen und können, was für ein Glück, direkt mit zwei Plattbodenschiffen in die Schleuse einlaufen. Der Schleusenvorgang selbst ist total unspektakulär, da es in der Regel keine unterschiedlichen Wasserstände zwischen dem südlichen Markermeer und dem nördlichen IJsselmeer gibt. Kurz nach der Schleuse begegnet uns ein Charterschiff der sogenannten braunen Flotte unter Vollzeug. Immer wieder ein faszinierender Anblick.

Bei uns geht das Großsegel am weißen Carbonmast hoch und die Genua wird ausgerollt. Zu gut sind die Bedingungen, um jetzt schon einen Hafen anzulaufen. Hoch am Wind mit nördlichen Kurs, segeln wir weiter. Und bei diesen perfekten Bedingungen schaffen wir auch ein Höhe von deutlich unter 50 Grad am wahren Wind, und mit dem höheren Speed, den wir dabei laufen, überholen wir fast alle Boote, die in die gleiche Richtung unterwegs sind. Ein Segelfest sozusagen, fast wie bei einer Regatta, ein Kreuzschlag folgt dem nächsten, jeder Winddreher wird ausgenutzt.
Nach weiteren zwei Segelstunden sind wir in der Höhe von Stavoren, doch wir haben noch immer nicht genug von der Segelei. Das Segelfieber lodert weiter, erst kurz vor 18 Uhr machen wir die Leinen in IT Soal bei Workum fest. Was für eine schöne Überraschung, treffen wir doch gleich auf unsere alten Segelfreunde, Christian, Steffi, Enrique und Britta, die schon bei einem Bierchen zusammen sitzen.
Und der eigentlich berentete Hafenmeister Jan, der viele Jahre für das Wohl der Boote und deren Eigentümer in IT Soal gesorgt hat, macht ausnahmsweise einen Vertretungsdienst im Hafenbüro. Es gibt viel zu erzählen, doch irgendwann knurrt uns der Magen und meine Gedanken kreisen um das chinesische Restaurant in Workum, das mit leckerer, knusprig gebratener Ente auf uns zu warten scheint. Jan leiht uns ein paar Fahrräder, wir haben unsere in Hoorn vergessen, und kurz drauf sitzen wir am gedeckten Tisch.
Heute hat, gegenüber gestern, der Wind nochmal um einen Tacken zugelegt. Noch vor dem langen Ende der Ausfahrt aus dem Workumer Hafenkanal binde ich ein Reff ins Großsegel ein, um gut auf die Bedingungen vorbereitet zu sein, die wir vorfinden werden. Wir weichen noch ein paar Booten auf dem gut gefüllten IJsselmeer aus, bevor auch wir mit gerefften Segeln durchs Wasser pflügen, das mit seinen kurzen und steilen Wellen heute anders aussieht als gestern. Wir kreuzen nach Makkum auf. Das weitflächige Ankergebiet unterhalb des Abschlussdeiches ist unser Tagesziel. Nach einem kurzen, zweistündigen Segeltörn gräbt sich der Anker in den schlickigen Grund.
Um uns herum und im Zufahrtskanal nach Makkum wird noch kräftig gesegelt. Ein schöner Anblick.